Expert:innen: Christoph Fässler (Modual), Vincent Marbé (Modual), Philipp Strüby (Modual)
Die Elektromobilität ist ein Schlüssel zur Reduktion von Treibhausgasemissionen im Mobilitätssektor; doch sie bringt auch Herausforderungen mit sich – insbesondere in Bezug auf die Rohstoffgewinnung und das Recycling von Batterien. Eine innovative Lösung aus der Schweiz könnte diese Probleme lösen: Modual nutzt ausgediente Batterien von Elektrofahrzeugen als stationäre Energiespeicher und trägt so zur nachhaltigen Nutzung von Ressourcen und zur Optimierung erneuerbarer Energien bei.
Bild: Modual AG
In der Schweiz entfallen 33 Prozent der Treibhausgasemissionen auf Mobilität und Verkehr – Tendenz stagnierend. Um das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen, müssten sie allerdings rückläufig sein. Die Elektrifizierung der Fahrzeuge ist unumgänglich. Gleichzeitig schätzen Expert:innen, dass bis 2030 global jährlich über 2 Millionen Tonnen Batterien aus Elektrofahrzeugen am Ende ihres ersten Lebens angelangt sein werden. Der Einsatz dieser Batterien hat zwar positive Auswirkungen auf die Treibhausgasemissionen, erfordert aber auch einen massiven und umweltschädlichen Abbau von Graphit, Kobalt, Lithium und Nickel. Dieser erfolgt in grossem Masse in Ländern mit politisch instabiler Lage. Dazu kommt, dass Batterien mit einer Restkapazität von 80 Prozent für die Elektromobilität nicht mehr ausreichen und ersetzt werden. Laut Schätzungen werden global nur 5–15 Prozent aller Batterien korrekt dem Recycling zugeführt.
Philipp Strüby und Christoph Fässler, die Firmengründer von Modual, erkannten, dass die Restkapazität von ausgedienten Batterien aus Elektrofahrzeugen für stationäre Energiespeicher ausreichend ist. Sie begannen 2020 im Keller zu experimentieren und fügten ausgediente Batterien aus den dreirädrigen Postzustellfahrzeugen von Kyburz Switzerland zu Speichern zusammen, die in Haushalten mit Photovoltaikanlagen eingesetzt werden würden. Der Vorteil besteht darin, dass diese Batterien auf dem wenig entzündlichen Lithium-Eisenphosphat basieren, aus einer Schweizer Quelle stammen und bereits in ihre Zellen zerlegt geliefert werden.
In einem ersten Schritt auf dem Weg zur Firmengründung wurden die Zellen mit ausreichender Restkapazität zu Speichern zusammengefügt. Für die Integration in Privathaushalte mit Photovoltaikanlagen muss der Speicher aber auch mit dem Wechselrichter und dem Haus kommunizieren und der Zustand der Batterien muss überwacht werden. Es galt, entsprechende Elektronik und Software zu entwickeln. Mit Erfolg: Bereits 2021 wurden die ersten Speicher installiert und die Kinderkrankheiten behoben, 2022 startete die Serienproduktion und 2024 erfolgte die Skalierung. Insgesamt installierte Modual in der Schweiz bereits mehrere Hundert Anlagen mit einer Gesamtkapazität von mehreren Megawattstunden – und alle am Firmensitz in Brunnen gefertigt.
Bald nach der Entwicklung der ersten Prototypen trat ein unerwartetes Problem auf, die Verfügbarkeit der Batterien. Vincent Marbé, CEO von Modual, bringt es auf den Punkt: «Die Lebensdauer der Batterien in Elektrofahrzeugen ist länger und deren Inverkehrbringen schleppender als ursprünglich angenommen.» Um die Verfügbarkeit – und damit das Überleben der Firma – sicherzustellen, werden ausgediente Batterien unterdessen von mehreren Quellen bezogen. Dazu gehören ein französischer Hersteller von Nutzfahrzeugen sowie ein Hersteller von Elektrobussen. In Zukunft werden wohl auch Verkehrsbetriebe, welche Elektrobusse einsetzen, und Batteriehersteller als Bezugsquellen berücksichtigt werden.
Mit der Diversifizierung der Lieferant:innen erhöhte sich aber auch die Vielfalt der Batterien – nicht nur in Bezug auf Form, Bauweise und Kapazität, sondern auch hinsichtlich der Elektronik. Erschwerend kommt hinzu, dass sich selbst identische Batterien desselben Lieferanten je nach Fertigungsserie unterscheiden. Das erfordert Flexibilität in der Produktion und Anpassungen bei den Gehäusen für die Speicher, aber auch eine konstante Weiterentwicklung der firmeneigenen Elektronik und Software. Das 19-köpfige Team in Brunnen stellt sich der Herausforderung und produziert Speicher mit Kapazitäten zwischen 11,5 und 368 Kilowattstunden als Plug-in-Lösungen für Privathaushalte und kleine industrielle Anwendungen mit Photovoltaikanlagen. Die integrierte Elektronik übernimmt die Kommunikation mit der Liegenschaft, federt die Lastspitzen ab, unterzieht die Batterien periodisch einem «Wellness-Programm», um die Restlebensdauer zu optimieren, und überwacht auch das Altern der Batterien. Module innerhalb des Batteriepacks, die das Lebensende erreicht haben, werden so frühzeitig erkannt und ersetzt. Zudem wird das Risiko eines Thermal Runaway – einer Kettenreaktion, bei der sich eine Batteriezelle überhitzt und es zu einem Brand oder sogar einer Explosion kommen kann – minimiert.
Die Firma fasst eine weitere Skalierung der Speicher auf Kapazitäten von 500 Kilowattstunden und mehr ins Auge. «Diese sind nicht nur für industrielle Zwecke interessant», ist Vincent Marbé überzeugt, «der Zusammenschluss mehrerer dieser Grossspeicher zu einem virtuellen Kraftwerk kann positiv zur Netzstabilität beitragen». Verteilnetzbetreibende werden eine neue Zielgruppe.
Zukünftig sollen die Batterien dort zu Speichern umfunktioniert werden, wo sie nach ihrer Erstnutzung in Elektrofahrzeugen anfallen. So kann der emissionsintensive Transport in die Schweiz eingespart werden. Brunnen wird nicht mehr der einzige Produktionsstandort sein. Nach einer ersten Expansionsphase in Europa sollen weitere Standorte in Asien und Amerika folgen.
Die Motivation im Team ist gross, jede Person hat ihre Nische und Berufung gefunden und ist stolz, an der Zukunft mitzubauen. Denn Studien haben gezeigt, dass bei einer garantierten Restlebensdauer von mindestens zehn Jahren der CO2- und Ressourcenfussabdruck der Speicher mit Second-Life-Batterien im Vergleich zu Lösungen mit neuen Batterien signifikant tiefer ist. Darüber hinaus erlauben Batteriespeicher die optimale Nutzung von erneuerbaren Energien. Ressourcen von gestern für die Welt von morgen.