Die Elektromobilität boomt und benötigt immer mehr Batterien. Diese enthalten Lithium und andere seltene Rohstoffe. Ein neuartiges Recyclingverfahren hat zum Ziel, die Rohstoffe aus ausgedienten Batterien umweltfreundlich und möglichst vollständig zurückzugewinnen.
Bild: Kyburz
Die Firma Kyburz entwickelt und produziert in Freienstein bei Zürich leichte Elektromobile für Gewerbe- und Industriebetriebe sowie für Gemeinden und Privatpersonen. Weltweit sind über 25'000 Stück im Betrieb, in der Schweiz prägen besonders die dreirädrigen Zustellfahrzeuge der Post das Strassenbild. Gemäss dem MultiLife Konzept von Kyburz sollen die Ressourcen für die Fahrzeugherstellung nach dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft maximal genutzt werden, sodass die in den Elektromobilen eingesetzten Lithium-Ionen-Batterien drei Leben erhalten. Gebrauchte Fahrzeuge werden bei Kyburz revidiert und mit Werksgarantie für eine Zweitnutzung verkauft. Sind die Batterien für den Einsatz in Fahrzeugen nicht mehr geeignet, dienen sie ein drittes Mal als stationäre Energiespeicher in dezentralen Solaranlagen. Batterien, die sich nicht mehr wiederverwenden lassen, gelangen schliesslich in den firmeneigenen Recyclingprozess.
Die Grundlagen dafür hat Olivier Groux, der Leiter der Abteilung Batterierecycling bei der Kyburz Switzerland AG, in seiner Masterarbeit entwickelt. Er erklärt: «Das neue Verfahren hat gegenüber dem gängigen Batterierecycling den Vorteil, dass es ohne Chemikalien und mit geringem Energieaufwand auskommt. Das Vorgehen ist im Grundsatz sehr einfach, erfordert aber bei der Vorbereitung und dem Handling der zu rezyklierenden Batterie spezifisches Know-how.» Zentral für den Recyclingprozess sind zwei Schritte: Zuerst werden die Batteriezellen entladen, maschinell aufgeschnitten und die Elektroden entnommen; dann werden diese mit Wasser in ihre Bestandteile aufgetrennt. So gewinnt man das Aktivmaterial zurück, das den Rohstoff Lithium enthält. Letztes Jahr wurde in Zusammenarbeit mit der Empa und Blackstone Technology demonstriert, dass aus dem rezyklierten Material neue Batteriezellen hergestellt werden können.
Das Risiko, dass die rasche Elektrifizierung der Mobilität zu Materialengpässen in der Batterieherstellung führen werde, wird von vielen Akteurinnen und Akteuren als hoch eingeschätzt. Nachhaltige Lösungen zur Rückgewinnung von Batterierohstoffen haben deshalb eine grosse Bedeutung. «Wir betrachten alte Batterien nicht als Abfall, sondern als Rohstoff», sagt Olivier Groux. Er sieht diesen Mentalitätswandel als Schlüssel zur erfolgreichen Entwicklung des Recyclingverfahrens. Aktuell geht es darum, den Prozess der wasserbasierten Auftrennung von Batterieelektroden in die automatisierte Pilotanlage zu integrieren. Bisher wurde dieser Schritt erst im Laborexperiment demonstriert, während die vorangehende Zerlegung der Batteriezellen bereits routinemässig in der bestehenden Anlage erfolgt.
Weiter wird angestrebt, die Recyclinganlage in Freienstein, welche 2022 die Betriebsbewilligung des Kantons erhalten hat, bis 2024 voll auszulasten und 200 Tonnen Batterien pro Jahr zu verarbeiten. Dies entspräche je nach Kapazität des Batteriesystems dem Recycling von 4000 bis 8000 Post-Zustellfahrzeugen. Für eine weitere Skalierung der Verarbeitungskapazität ist ein neues, reines Recyclingwerk geplant. Weil die bestehende Pilotanlage so konzipiert ist, dass sie vollständig in einen Standardcontainer für die Schifffahrt passt, könnte der Ausbau des Recyclings auch verteilt in mehreren kleineren Einheiten erfolgen, beispielsweise bei Produktionsstätten von Elektromobilen. Dies hätte den Vorteil, dass Transporte von ausgedienten Lithium-Ionen-Batterien, welche als Gefahrengut gelten, vermieden werden.
Das neue Recyclingverfahren von Kyburz ist spezifisch auf die in ihren Fahrzeugen verwendeten Batterietypen zugeschnitten. Zukünftig werden Wege gesucht, den Prozess auch auf Batteriesysteme anderer Elektrofahrzeuge auszuweiten. Olivier Groux versichert abschliessend: «An Ideen, wie wir die Rückgewinnung der wertvollen Ressourcen aus den Batterien verbessern können, fehlt es uns bei Kyburz nicht.»