Phosphorrecycling

Expert:innen: Reto Manser (Amt für Wasser und Abfall Kanton Bern), Leo Morf (Amt für Abfall. Wasser. Energie und Luft. Kanton Zürich), Stefan Schlumberger (Kenova. Stiftung Zentrum für nachhaltige Abfall- und Ressourcennutzung), Kai Udert (Eawag)

Phosphor ist ein essenzieller Pflanzennährstoff und damit Grundbaustein für die menschliche Ernährung. Die Schweiz kann ihren Phosphorbedarf für Mineraldünger zurzeit nur mit Importen aus dem Ausland decken. Davon geht jedes Jahr mehr als die Hälfte über Abwasser und Schlachtabfälle verloren. Die Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm- und Tiermehlasche könnte diese Lücke im Nährstoffkreislauf schliessen und damit die Abhängigkeit der Schweiz von Importen reduzieren sowie die Wertschöpfung im Inland erhöhen. Eine alternative Route ist die Urinseparierung, also die Rückgewinnung von Phosphor direkt aus dem menschlichen Urin. Die Technologien dafür sind grundsätzlich ausgereift, doch die grosstechnische Umsetzung hat aus politischen und wirtschaftlichen Gründen Verspätung.

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Definition

Phosphorrecycling umfasst die Rückgewinnung des Nährstoffes Phosphor aus biologischen Abfällen, aus Klärschlamm, aus Schlachtabfällen oder direkt aus den menschlichen Ausscheidungen und dessen Wiederverwendung. Jährlich werden rund 15'000 Tonnen Phosphor in die Schweiz importiert, hauptsächlich in Futtermitteln und Mineraldünger für die Landwirtschaft sowie in pflanzlichen Lebensmitteln. Über die Entsorgung gehen jährlich rund 6500 Tonnen im Abwasser und rund 3700 Tonnen in Schlachtabfällen verloren.  

Für die Phosphorrückgewinnung aus diesen Quellen kommen mehrere Verfahren infrage: Phosphor kann einerseits mit Eisen oder Aluminium direkt aus dem Abwasser und dem Klärschlamm ausgefällt werden. Aus Klärschlamm- oder Tiermehlasche wird Phosphor mithilfe von starken Säuren herausgelöst. Dabei entstehen mit technisch reiner Phosphorsäure oder Tripelsuperphosphat (TPS) hochwertige Ausgangsstoffe, die für Dünger und andere Chemikalien verwendet werden können. Schliesslich können Phosphor und andere Nährstoffe mittels biologischer oder physikalischer Trennverfahren direkt aus dem Urin abgeschieden werden und als Feststoffdünger Struvit oder Kalziumphosphat und als Flüssigdünger genutzt werden. 

Heutige Anwendungen und Chancen

Gemäss der Verordnung über die Vermeidung und die Entsorgung von Abfällen (VVEA) von 2016 gilt in der Schweiz ab 2026 eine Phosphorrückgewinnungspflicht aus Klärschlamm, Klärschlammasche sowie Tier- und Knochenmehl. Da jedoch noch keine Anlage bereit ist, wird das Ziel nicht erreicht. Die Evaluation dreier grosstechnischen Anlagen für die Rückgewinnung aus phosphorreicher Asche in Zuchwil (SO), Oftringen (AG) und Bazenheid (SG) hingegen ist weit fortgeschritten. Die Inbetriebnahme des Werkes in Bazenheid ist für 2026 und desjenigen in Zuchwil ab 2030 geplant. 

Ein alternativer Ansatz ist die Rückgewinnung von Phosphor und weiteren Nährstoffen direkt aus menschlichen Ausscheidungen, auch Urinseparierung genannt. Rund die Hälfte des Phosphors in Abwässern stammt aus menschlichem Urin. Bei der Urinseparierung würde die Trennung stattfinden, bevor die Nährstoffe im Abwasser verdünnt und weggeschwemmt werden, zum Beispiel in Trenntoiletten. Gemäss Berechnungen der Eawag könnten durch die Separierung von 20 Prozent des anfallenden Urins jährlich 655 Tonnen Phosphor zurückgewonnen und damit 15 Prozent der Mineraldüngerimporte durch Recyclingdünger ersetzt werden. Das Verfahren wird im Forschungs- und Innovationsgebäude NEST von Empa und Eawag in Dübendorf – wobei NEST für Next Evolution in Sustainable Building Technologies steht – sowie in einigen weiteren Büro- und Laborgebäuden umgesetzt. Der dabei produzierte Flüssigdünger Aurin wird seit zehn Jahren kostendeckend vermarktet. 

Das Phosphorrecycling reduziert die Abhängigkeit von Importen des endlichen Rohstoffes, der in grossen Phosphatminen vor allem in Marokko, China und Russland mit teilweise umweltbelastenden und für die Arbeiter:innen gesundheitsschädlichen Verfahren abgebaut wird.  

Die Technologie leistet einen wichtigen Beitrag an eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft und stärkt die Wertschöpfungskette in der Schweiz. Die Rückgewinnung aus Klärschlamm- und Tiermehlasche liefert ein hochreines Produkt, das vielseitig verwendbar ist. Die dezentral umgesetzte Urinseparierung könnte diese grosstechnische Methode sinnvoll ergänzen. Sie entlastet die Abwässer und reduziert den Nährstoffeintrag in die natürlichen Gewässer. Nicht zuletzt entzieht das direkte Verfahren dem Urin neben Phosphor noch weitere wertvolle Nährstoffe wie Stickstoff, Kalium oder Schwefel.  

Herausforderungen 

Die Phosphorrückgewinnung aus Abwasser, Klärschlamm und Asche ist ein neuer Technologiezweig, dessen Entwicklung und grosstechnischer Einsatz primär von der Gesetzgebung angetrieben wird. Die erforderlichen Investitionen für den Bau und den Betrieb der zentralen Anlagen können noch nicht durch den Verkauf des recycelten Produkts gedeckt werden, da dieses gegenüber dem Phosphor, das in den Minen abgebaut wird, finanziell nicht konkurrenzfähig ist. Darüber hinaus sind die Regulierungs- und Bewilligungsanforderungen für die anfallenden Produkte (zum Beispiel Düngermittelbewilligungen) sehr hoch, was die Kosten weiter erhöht. 

Die derzeit in der Schweiz favorisierten Verfahren für die Auslösung des Phosphors aus Klärschlamm- und Tiermehlasche haben gegenüber dem Abbau in den Phosphatminen einen klaren Umweltnutzen, erfordern jedoch den Einsatz grosser Mengen an Chemikalien. Die Verfahren sind energieintensiv und erzeugen neue Produktionsabfälle, welche die Umwelt belasten.  

Die kurz- bis mittelfristige Umsetzung der Urinseparierung ist in der Schweiz unter Abwasserfachleuten umstritten, weil 97 Prozent der Haushalte an die Schwemmkanalisation angeschlossen sind. Im Gegensatz zur bestehenden Technologie der Schwemmkanalisation kann die Urinseparierung allerdings Schritt für Schritt mit kleinen Anlagen und kostendeckend umgesetzt werden, weil die Kosten der Anlagen mit dem Verkauf des Düngers gedeckt werden. Für die Vermarktung des Düngers ist eine enge Zusammenarbeit mit Düngerfirmen notwendig. 

Fokus Industrie 

Die Technologie spielt für die Privatindustrie heute eine marginale Rolle, weil die Entsorgung als öffentlich-rechtliche Aufgabe stark reguliert ist. Die drei in der Schweiz geplanten Grossanlagen für die Rückgewinnung aus phosphorreicher Asche bieten KMU und Start-ups deshalb nur beschränkte Möglichkeiten. Besser sind die Perspektiven im Bereich der Urinseparierung, weil die in der Sanitärbranche tätigen Planungsbüros und handwerkliche Betriebe von den dafür erforderlichen Infrastrukturanpassungen profitieren könnten. Darüber hinaus bietet die Urinseparierung auch Perspektiven für Anlagenbauer und die Maschinenindustrie, weil die Anlagen industriell und in Serie hergestellt werden müssten, um in grosser Anzahl installiert werden zu können.  Skalierungseffekte könnten die Preisstruktur in allen Bereichen rasch günstig beeinflussen. Zu erwähnen ist auch der grosse weltweite Bedarf an Abwasserreinigungsanlagen ohne Kanalisation. Hier könnte sich ein Markt für die exportorientierte Schweizer Industrie entwickeln. 

In der Schweiz gibt es keine spezifische Ausbildung für Mitarbeitende im Bereich des Phosphorrecyclings. Mehrere Fachhochschulen bieten jedoch Kurse zum Thema Nährstoffkreislauf an, die die Kenntnisse und das Bewusstsein für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft fördern. 

Internationale Perspektive

Im Abwasserbereich gehört die Schweiz im internationalen Vergleich traditionell zu den Vorreitern in Forschung und Entwicklung neuer innovativer Verfahren. Im Bereich der Phosphorrückgewinnung aus Urin zum Beispiel ist die Schweiz führend. Auch die politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen, zum Beispiel auf Verordnungsebene oder bei den Düngermittelbewilligungen, sind im Vergleich zum Ausland günstig. So wurde mit dem Produkt Aurin der weltweit erste Dünger aus Urin in der Schweiz zugelassen.  

Im Bereich der Phosphorrückgewinnung aus kommunalen Abwässern spielt die Schweiz jedoch eine marginale Rolle. Die Forschung und Entwicklung für die in der Schweiz geplanten grosstechnischen Anlagen zur Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm- und Tiermehlasche wurde vorwiegend im europäischen Ausland geleistet, vor allem in Spanien und Deutschland.  

Zukünftige Anwendungen 

Die grosstechnische Umsetzung der Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm- und Tiermehlasche hängt von den politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Zukünftige Anwendungen der Produkte hängen vor allem von der Optimierung und Weiterentwicklung der einzelnen Prozessschritte ab. Wenn es gelingt, die externen Kosten zu internalisieren, die der Abbau des Primärphosphors in den Ursprungsländern und die Belastung der Umwelt durch den überschüssigen Phosphoreintrag im Abwasser zur Folge haben, könnte sich das Phosphorrecycling auch finanziell rentieren. 

Die Technologie trägt zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft bei und reduziert die Abhängigkeit von Phosphorimporten. Gleichzeitig mit der Rückgewinnung von Phosphor aus Abwasser, Klärschlamm und menschlichen Ausscheidungen filtern alle Verfahren auch Schadstoffe wie Schwermetalle oder Medikamentenrückstände heraus und reduzieren den von Phosphor und anderen Nährstoffen in die Oberflächengewässer und in das Grundwasser. 

Weiterführende Informationen

I Fölmli, M Rohner. (2023) Technische Umsetzung der Phosphorrückgewinnungspflicht in der Schweiz

Bundesamt für Umwelt BAFU. (2020) Phosphorreiche Abfälle. 

E Spiess, F Liebisch. (2020) Nährstoffbilanz der schweizerischen Landwirtschaft für die Jahre 1975 bis 2018.  

CR Binder, J Mehr. (2017) Phosphorflüsse in der Schweiz 2015: Stand, Entwicklungen und Treiber

Bundesamt für Umwelt BAFU. SwissPhosphor.  

eawag. Water Hub. 

Stiftung Zentrum für nachhaltige Abfall- und Ressourcennutzung ZAR. Die Kreislaufwirtschaft ins Zentrum gerückt. 

VaLoo. Creating value from what ends up in the loo. 

Keywords

Phosphorrückgewinnung, Kreislaufwirtschaft Phosphor, Klärschlammverwertung, Urban Mining 

Akademische Akteur:innen

Christian Binz (Eawag), Emmanuel Frossard (ETH Zürich), Roland Scholz (ETH Zürich), Johan Six (ETH Zürich), Kai Udert (Eawag) 

Behörden und Firmen

Kanton Zürich, Stiftung Zar, Kompotoi, Stadt Laufen, SwissPhosphor, VaLoo, Verband der Betreiber Schweizerischer Abfallverwertungsanlagen, Vuna