Gold gewinnen aus Elektronikschrott

Expert:innen: Andreas Blatter (PX Group), Alexandra Levesque (PX Group)

Aus Elektronikschrott Gold herauszulösen und das erst noch biobasiert, klingt wie der Traum eines Alchemisten des 21. Jahrhunderts. Der Schweizer Goldverarbeiter PX Group zeigt in einem Pilotprojekt, dass dies tatsächlich funktioniert. Dabei wird deutlich, dass Elektronikabfall nicht nur ein Problem, sondern auch eine wertvolle Ressource ist, die es zu nutzen gilt.

Über die Digitalisierung können viele positive Geschichten erzählt werden: Etwa, dass Menschen auch dann mit Familie und Freund:innen in Kontakt sein können, wenn diese auf der anderen Seite der Welt sind. Oder effizientere und sicherere Produktionsprozesse. Dem Elektronikschrott, der dadurch anfällt, lässt sich allerdings kaum etwas Positives abgewinnen. Bis jetzt. 

Im Jahr 2022 fielen weltweit 62 Milliarden Kilogramm Elektronikabfälle an. Das entspricht 7,8 Kilogramm pro Person. Problematisch ist nicht nur die schiere Fülle, sondern auch und vor allem die Geschwindigkeit, mit welcher diese anwächst: In den zwölf Jahren zwischen 2010 und 2022 verfünffachte sich die Menge an jährlich entsorgter Elektronik. In Europa werden zwar rund 40 Prozent des anfallenden Elektronikmülls korrekt dem Abfallstrom zugeführt und folglich wiederaufbereitet. Die restlichen 60 Prozent werden allerdings zusammen mit dem Haushaltsmüll und anderen Abfällen verbrannt oder landen auf Deponien.  

Dabei besteht dieser Elektronikschrott aus wertvollen Rohstoffen: zu 50 Prozent aus Metallen, zu 30 Prozent aus Kunststoffen und zu 20 Prozent aus anderen Materialien. Dazu gehören seltene Erden ebenso wie Silikate, Glas oder Stoffe, die Umweltgifte sind.  

Rohstoffe für die Uhrenindustrie

Alles begann 2020 mit der Entscheidung, sich einen Primärzugang zum Wertstoff Gold zu sichern. «Früher», so Andreas Blatter, Direktor Forschung und Entwicklung bei PX Group, «kauften wir das Gold ein. Manche Uhrenhersteller übergaben uns das Edelmetall, damit wir daraus dann Halbfabrikate herstellten. Heute möchten wir einen eigenen Zugang zum Gold haben. Dabei soll dieses so ethisch und so umweltverträglich wie möglich abgebaut werden». Gar nicht so einfach, wie sich herausstellte. Deshalb fiel ein Augenmerk der PX Group auf das Herauslösen von Gold aus Abfallströmen.  

Gebiete, die heute als Goldminen erschlossen werden, weisen in aller Regel einen Anteil von 0,5 bis 1 Gramm Gold pro Tonne Gestein auf. Kleinere Minen können einen Goldanteil von bis zu 25 Gramm Gold pro Tonne Gestein aufweisen. Elektronikschrott dagegen hat einen Anteil von 30 bis 100 Gramm Gold pro Tonne Material. Wäre der Elektronikschrott eine Goldmine, würden sich heutige Raffinerien händeraufend um einen Zugang streiten.  

Elektronikschrott zu bearbeiten hat eigene Tücken und ist weder einfach noch günstig. Die einfachste – wenn auch nicht die ökologischste – Handhabung ist, den Abfall zu verbrennen. Dabei bleiben die Metalle zurück, und aus den Rückständen kann das Gold herausgelöst werden. Dieses Vorgehen ist heute Standard. Allerdings verbraucht es nicht nur unnötig viel Energie, es entstehen dabei auch grosse Mengen an Treibhaus- und anderen giftigen Gasen. Zudem entsteht bei dieser Rückgewinnung ein beachtlicher Berg Sondermüll, der nur schwerlich wieder aufzureinigen ist und meist deponiert wird. Neben der ökologischen Problematik sei dieses Verfahren auch ökonomisch unsinnig, wie Andreas Blatter darlegt, weil der Elektronikschrott weit transportiert wird, bevor er verbrannt und den Schmelzen zugeführt wird.  

Bakterien statt Säuren, Bioreaktoren statt Hütten

Die PX Group setzt auf ein Verfahren, das dezentral, also dort zum Einsatz kommt, wo der Elektronikmüll anfällt: Zuerst wird der Elektronikschrott getrennt. Plastik und Metallteile werden auseinanderdividiert. Dann wird das Metall von einer Mühle zerkleinert; dieser gemahlene Elektronikschrott kommt zusammen mit einer Lösung in einen Tank. Dabei löst eine biogene, also eine von Bakterien hergestellte Substanz das Gold aus dem Mahlgut. In der Folge wird der Inhalt des Tanks mit einem Harz filtriert; das Gold bleibt dabei an diesem Harz hängen. Wird das getrocknete Harz schliesslich verbrannt, bleibt das Gold als Rückstand zurück.  

Die biogene Substanz, die im Verfahren der PX Group zum Einsatz kommt, wird von Bakterien hergestellt. Die Bakterien werden von Brain Biotech gezüchtet. Sie fermentieren eine Zuckerlösung zu einer Flüssigkeit, die in der Lage ist, das Gold zu lösen. Sie ist relativ pH-neutral und muss nicht als Sondermüll entsorgt werden. Damit kann die PX Group die starken Säuren und andere sehr giftigen Stoffe umgehen, mit denen die Goldgewinnung arbeitet. Viele Minen machen ganze Ökosysteme kaputt. Böden und Gewässer leiden auch Jahre nach der Stilllegung noch unter den zum Einsatz kommenden Stoffe. Ziel der Anstrengungen der PX Group war von Anfang an, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem Sondermüll vermieden werden kann.  

Alexandra Levesque, Head of Innovation and Development bei der PX Group, betont, dass das Verfahren funktioniere und technisch machbar sei. Jetzt gehe es darum, den Prozess zu skalieren und ein Netzwerk von Partnerunternehmen aufzubauen, damit auch die ökonomische Rentabilität bewiesen werden kann. 

Weltweit könnten jährlich 20 bis 30 Tonnen Gold aus Elektronikschrott herausgelöst werden. Dies ist zwar erst ein kleiner Teil des weltweit benötigten Goldes. Die ökonomische Verarbeitung von Elektronikschrott könnte aber auch wichtige Impulse für Wertstoffkreisläufe in anderen Industrien setzen, denn wie die das Verfahren der PX Group zeigt, enthält der Schrott wertvolle Substanzen.   

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