Kunststoffrecycling

Expert:innen: Patrik Geisselhardt (Swiss Recycle)

Kunststoffe sind günstig und vielseitig einsetzbar. Am Ende ihres Lebenszyklus müssen sie jedoch entsorgt werden, da sie eine Belastung für die Umwelt darstellen. Trotz grossen Bemühungen für ein effizientes Entsorgungssystem werden in der Schweiz immer noch fast vier Fünftel der entsorgten Kunststoffe verbrannt. Ein ausgebautes Recycling könnte den ökologischen Fussabdruck der Produkte reduzieren. Um den Lebenszyklus von Kunststoffen im Sinne einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft auf die Wiederverwertbarkeit auszurichten, müssen alle Prozesse der Wertschöpfungskette optimiert werden: von der Produktion der Ausgangsprodukte über die Sammlung und Sortierung des Kunststoffabfalls bis zur Herstellung und Wiederverwendung der Rezyklate.

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Definition

Kunststoffrecycling umfasst alle Prozesse von der Sammlung der Kunststoffabfälle über deren Sortierung und Aufbereitung bis zur Produktion von Rezyklaten (gepresstes Recyclinggranulat) und deren Verwertung in neuen Produkten. In der Schweiz fallen jährlich rund 830'000 Tonnen Kunststoffabfälle aus kurz- und langlebigen Anwendungen an. Davon stammt knapp die Hälfte aus Verpackungen. Der Rest fällt im Baugewerbe, in Fahrzeugen, in elektrischen und elektronischen Geräten, in der Landwirtschaft und in anderen Bereichen an. Von der Gesamtmenge werden rund 660'000 Tonnen mit anderem Abfall verbrannt. Separat gesammelt werden nur etwa 170'000 Tonnen. Aber auch vom gesammelten Kunststoff wird über die Hälfte in Kehrverbrennungsanlagen oder Zementwerken thermisch genutzt. Effektiv rezykliert werden jährlich nur 72'000 Tonnen. In der Schweiz liegt der Fokus auf dem PET-Recycling, das mit einer stofflichen Verwertungsquote von 82 Prozent international führend ist. Für andere Kunststoffarten wie Polyethylen oder Polypropylen fehlen jedoch nationale Recyclingsysteme.  

Heutige Anwendungen und Chancen 

Spezialisierte Unternehmen im In- und Ausland sortieren die Kunststoffe aus dem Abfall. Danach werden sie mechanisch aufbereitet, eingeschmolzen und zu Rezyklaten gepresst und in neuen Produkten der Wiederverwendung zugeführt. Sie finden in Verpackungen, im Baugewerbe (Rohre, Dichtungen), in der Logistik (Kisten, Paletten) oder in Textilien (Polyester) Verwendung. 

Der Einsatz von Rezyklaten spart Ressourcen und reduziert die CO2-Emissionen über die ganze Wertschöpfungskette. Gemäss einer Studie der ETH Zürich verursacht 1 Kilogramm Kunststoff über seinen gesamten Lebenszyklus 4,9 Kilogramm CO2-Äquivalente. Durch das Recycling und die damit verbundene Einsparung von Neumaterial sinkt der Wert auf 1,5 Kilogramm CO2-Äquivalente. Gleichzeitig kann bei der Produktion mit dem Einsatz von 1 Kilogramm Rezyklat aus Kunststoff-Abfällen der Verbrauch von 3 Liter Erdöl verhindert werden. Die Wiederverwertung von Kunststoffabfällen kann so den Rohstoff-Kreislauf in der Kunststoffproduktion schliessen.  

Die Entwicklung in der Schweiz wird vor allem von Branchenlösungen angetrieben, die auf Freiwilligkeit beruhen. Ein wirksamer Treiber sind die Anstrengungen im europäischen Umfeld. So hat die EU ihre Green-Deal-Initiative unter das Prinzip der Kreislaufwirtschaft gestellt. Gemäss der 2018 in Kraft getretenen Richtlinie für Verpackungen und Verpackungsabfälle müssen bis 2030 alle Verpackungen wiederverwendbar oder kosteneffizient rezyklierbar sein. Auch Marktteilnehmer in der Schweiz wie Coca-Cola oder Nestlé richten sich nach diesen Vorgaben. 

Herausforderungen 

Mit einer Recyclingquote von 9 Prozent über alle Kunststoffe liegt die Schweiz im internationalen Vergleich in den hinteren Rängen. Dafür verantwortlich sind einerseits Kostengründe. Andererseits fehlen in der Schweiz umfassende Konzepte und eine geeignete Infrastruktur für die Sammlung und das Recycling von Gemischtkunststoffen. Die grosse Herausforderung ist die Vielfalt der Kunststoffarten, die in Konsumprodukten eingesetzt werden. In Elektrogeräten zum Beispiel sind Kunststoffe oft mit anderen Materialien verbaut. Ein Problem sind auch Zusätze etwa in beschichteten Verpackungen oder Klebstoffen. Darüber hinaus können auch bei der Sammlung Querverschmutzungen durch Fehleinwürfe entstehen, welche die Qualität des Rezyklats und des daraus entstehenden Produkts beeinträchtigen. Die Folge ist ein Downcycling, bei dem das Produkt auf dem Markt weniger Wert als das Primärprodukt hat.  

Die Grundlage für ein erfolgreiches Recycling, das zu qualitativ und preislich höherwertigen Produkten führt (Upcycling), sind getrennte und reine Stoffflüsse. Vor allem im Bereich der Sortiertechnologie hat die Schweiz einen Aufholbedarf. Ausser beim PET-Recycling müssen Kunststoffgemische aus Separatsammlungen bis anhin ins grenznahe Ausland gebracht werden, wo sie in hochmodernen Sortieranlagen getrennt werden. Eine wichtige Rolle spielt zudem die Sammelinfrastruktur und eine ausreichende Sensibilisierung der Bevölkerung. 

Die Substitution von nicht rezyklierbaren durch kreislauffähige Kunststoffe bereits in der Produktion der Primärprodukte optimiert die Wiederverwertbarkeit (Design for Recycling). In der EU ist zudem ein sogenannter digitaler Produktepassport in Entwicklung, der den einzelnen Werkstoff über seinen ganzen Lebenszyklus begleitet. Damit lässt sich ein Kunststoff auch im Abfall klar identifizieren. Zudem können damit auch allfällige Additive oder Schadstoffe ausgelesen werden, die heute teils unerkannt bleiben und so das Rezyklat verunreinigen. 

Fokus Industrie

Der Umsatz von inländischen Unternehmen im Recyclingsektor betrug 2023 insgesamt zwischen 100 und 500 Millionen Franken. Das Marktpotenzial ist im international wachsenden Recyclingmarkt gross. Die Nachfrage nach qualitativ hochstehenden Rezyklaten ist viel höher als deren Verfügbarkeit und verstärkt den Bedarf nach innovativen Lösungen. Während Kunststoffabfall früher vor allem Kostenträger war, gilt er heute vermehrt als wertvoller Rohstoff. 

Dies widerspiegelt sich auch in den gestiegenen Anforderungen an die Fachkräfte. So wurde im Jahr 2020 im Bereich Sammlung und Sortierung der Beruf Recyclist:in geschaffen, der in einer dreijährigen Lehre erlernt werden kann. In anderen Bereichen der Wertschöpfungskette sind Know-how im Anlagenbau, in der Verfahrenstechnik und im Ingenieurwesen notwendig. Zentral für innovative Lösungen ist zudem ein Bewusstsein für Rohstoffkreisläufe über die ganze Wertschöpfungskette und eine gute Zusammenarbeit von Recycling-Spezialist:innen und Produktentwickler:innen.  

Internationale Perspektive

Im internationalen Vergleich ist die Schweiz vor allem mit ihrer Pionierarbeit bei der PET-Getränkeflaschensammlung vorangegangen. Bei innovativen Recyclingtechnologien sind Länder wie Deutschland, Italien oder Österreich weiter voran. So wird das Sammelgut aus Gemischtsammlungen von Haushaltskunststoffen nach Deutschland gebracht, um dort in hochmodernen Sortieranlagen auftrennt zu werden. Chancen für Schweizer Akteur:innen liegen in technisch anspruchsvollen Nischen wie der chemischen Aufbereitung oder KI-unterstützter Infrarotsortierung von Kunststoffgemischen. Ein Nachholbedarf besteht für die Schweiz noch in der Zusammenarbeit und beim Know-how-Austausch mit internationalen Gremien und Forschungskooperationen, zum Beispiel bei Projekten wie dem digitalen Produktepass. 

Zukünftige Anwendungen

Digitalisierte Sortierverfahren verbessern die Trennschärfe bei der Sortierung. Dabei identifiziert ein hochempfindlicher Infrarotsensor eine Kunststoffart über sein spezifisches Infrarotspektrum. Ausgerüstet mit KI kann eine solche Sortieranlage ein Kunststoffgemisch auf der Basis von Erfahrungsdaten noch präziser auftrennen und damit die Recyclingquote signifikant erhöhen. 

Neue chemische Verfahren werden die bisherige mechanische Aufbereitung von Kunststoffabfällen ergänzen. So hat das Walliser Start-up Depoly eine Methode entwickelt, mit der unterschiedliche Polymere mittels Depolymerisation in ihre Grundbausteine zerlegt werden können. Der Vorteil ist, dass sich damit auch Mischabfälle unterschiedlichster Herkunft verwerten lassen. Aus den resultierenden Monomeren lassen sich wieder neuwertige Kunststoffprodukte mit den gewünschten Eigenschaften herstellen. 2025 eröffnet Depoly eine erste Demonstrationsanlage in Monthey.  

Vielversprechend ist auch die Entwicklung von Bioplastiken, die biologisch abbaubar sind. Sie erlauben Anwendungen in Verbund- und Klebstoffen oder in Textilien und Schuhen, in denen die bisher verwendeten Materialien das Recycling erschwerten oder verunmöglichten. 

Kunststoffrecycling bietet deshalb an mehreren Stellen der Wertschöpfungskette Schlüsseltechnologien, um Ressourcen zu schonen, Emissionen zu senken und die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen zu vermeiden.

Weiterführende Informationen

M Haupt, D Bless, M Klotz. (2024) Kunststoffflüsse der Schweiz

F Dinkel, T Kägi, R Bunge, T Pohl, A Stäubli A. (2017) KuRVe: Ökonomisch-ökologische Analyse von Sammel- und Verwertungssystemen

Swiss Recycle. Das Schweizer Kompetenzzentrum für Recycling und Kreislaufwirtschaft

Verband Schweizer Plastic Recycler (VSPR). Verband Schweizer Plastik Recycler

Keywords

Plastics Recycling, Circular Economy, Footprint of Plastics, Design for Recycling 

Akademische Akteur:innen

Rudy Koopmans (HEIA-FR), Christian Rytka (FHNW), Daniel Schwendemann (OST) 

Firmen

Depoly, Migros, Recypak, Semadeni, Treeless Pack, Verband Schweizer Plastic Recycler (VSPR)