Expert:innen: Andreas Fuhrer (IBM Research – Zurich)
Quantencomputer versprechen, gewisse Probleme der Informatik zu lösen, die für herkömmliche Computer unlösbar sind. Beim Bau von Quantencomputern wurden in den letzten Jahren grosse Fortschritte erzielt; dennoch wird es dauern, bis sie ihre Überlegenheit voll ausspielen können.
Bild: IBM
Herkömmliche Computer, und zwar einerlei, ob Smartphone oder ein Grossrechner in einem Rechenzentrum, kalkulieren mit elektrischem Strom: Alle Informationen, die ein Computer speichert, verarbeitet oder ausgibt, liegen vor in Form von Strom oder Nichtstrom, repräsentiert durch Bits, welche die Werte 0 oder 1 annehmen können. Quantenbits können dagegen mehrere Zustände gleichzeitig annehmen, sie können in einer Überlagerung (Superposition) sein. Während ein klassisches 8-Bit-Register in einem auf Mikroelektronik basierenden Chip lediglich einen von 256 Zuständen (= 28) annehmen kann, kann ein Register mit 8 Qubits, etwas vereinfacht gesagt, eine beliebige Kombination von allen 256 Zuständen gleichzeitig annehmen. Dies hat zur Folge, dass ein Quantencomputer die Fähigkeit hat, mit wesentlich weniger Bits resp. Qubits viel grössere Probleme zu verarbeiten. Allerdings sind die Ergebnisse solcher Quantenrechner oft nicht eindeutig, sondern durch eine statistische Verteilung von mehreren gemessenen Werten gegeben. Je nach Algorithmus müssen deshalb die Rechnungen mehrmals wiederholt werden, um die richtigen Ergebnisse statistisch signifikant vom restlichen Hintergrund abzuheben.
In der Forschung gibt es unterschiedliche technische Ansätze, um Quantencomputer zu realisieren. Auf der einen Seite stehen Quantensysteme, die nur ein spezifisches Problem simulieren, etwa die Interaktion zweier Moleküle oder ein bestimmtes Optimierungsproblem. Diese Systeme ähneln dem Bau eines Modells, mit dem ein anderes unzugängliches System im Labor simuliert wird. Dies erlaubt, mehr über die Eigenschaften des simulierten Systems zu lernen. Auf der anderen Seite wird an universellen Quantencomputern geforscht, die sich frei programmieren lassen und nicht auf ein einziges Problem spezialisiert sind.
Da Quantensysteme auf Ebene der Qubits analog und mit extrem kleinen Energien funktionieren, sind sie störungsanfälliger als die Schaltkreise der heutigen Digitalelektronik. Sie müssen möglichst hermetisch von Umwelteinflüssen abgeschirmt und je nach Technologie auch bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt betrieben werden. Die Kontrollgeräte – Laser oder Mikrowellenquellen –, mit denen die Zustandsänderungen herbeigeführt oder ausgelesen werden, müssen zudem über eine sehr hohe Präzision verfügen.
Es gibt immer mehr Start-ups (Alpine Quantum Technologies AQT, Atom Computing, Coldquanta, Diraq, Equal1, IonQ, IQM, Pasqal, Quantum Motion, QuEra Computing, Rigetti Computing, SpinQ, SQC, Xanadu etc.) und grosse Firmen (Alibaba, Amazon, Baidu, Google, IBM, Intel, Quantinuum etc.), die unterschiedliche Quantenprozessoren auf dem Markt anbieten oder anbieten wollen. Im Moment variieren diese Angebote stark von kleinen 2-Qubit-Systemen zu Forschungszwecken, die bereits für unter 10'000 Schweizer Franken erhältlich sind, bis hin zu Quanten-Cloud-Access von Prozessoren, die mehrere hundert Qubits enthalten.
Aufgrund der Unterschiede zwischen Quantencomputern und herkömmlichen Rechnern müssen erstere auch komplett anders programmiert werden. Es braucht folglich nicht nur neue Hardware, sondern auch eine grundsätzlich neue Systemarchitektur. Diese besteht aus der Hardware, Software und ihrem Zusammenspiel untereinander und mit konventionellen Rechnern. Damit erfordern Quantencomputer auch völlig neue Programmierumgebungen und Algorithmen.
Für heutige Quantencomputer gibt es eine Reihe von Anwendungen, die teils explorativen, teils demonstrativen Charakter haben. Meist handelt es sich um Probleme, die klassische Computer nur mit sehr viel Rechenkapazität resp. mit Näherungsmethoden lösen können. In der Vergangenheit hat sich bis jetzt aber meist gezeigt, dass durch die Weiterentwicklung von klassischen Algorithmen konventionelle Rechner im Vergleich noch die Nase vorn haben. Dies liegt daran, dass die Nützlichkeit heutiger Quantensysteme durch das Auftreten von Fehlern limitiert ist. So wird aktuell auch intensiv daran geforscht, dass für einen kommerziell einsetzbaren Quantencomputer auftretende Fehler während dem Betrieb durch eine eingebaute kontinuierliche Fehlerkorrektur eliminiert werden. Alternative Ansätze versuchen durch eine Nachbereitung der Ergebnisse die nötige Qualität der Resultate zu erreichen.
Wenn es gelingt, die zum Rechnen benutzten Quantenprozessoren weiter zu verbessern und zu skalieren, werden Quantencomputer bei wichtigen Problemstellungen schon in wenigen Jahren effizienter sein als herkömmliche Supercomputer.
Im Quantencomputing wird also das Potenzial gesehen, Probleme der Informatik zu lösen, die mit klassischen Supercomputern unlösbar bleiben. So kam in den letzten Jahren im Forschungsfeld der Quanteninformationswissenschaften viel Bewegung auf mit signifikanten Investitionen sowohl im staatlichen als auch im privaten Sektor. Obschon mit heutigen Quantencomputern gelöste Probleme noch eher demonstrativen und explorativen Charakter haben und vornehmlich wissenschaftlichen Zwecken dienen, zeigen sie doch die Stärken von solchen Systemen auf. Die aktuellen Problemgrössen, die mit heutigen Quantencomputern lösbar sind, können meist auch noch mit einem klassischen Computer gemeistert werden.
Neben den Anstrengungen im Bereich der Grundlagenforschung beschäftigen sich grosse IT-Unternehmen und Forschungszentren auch schon jetzt mit der Frage, wie komplette Quantencomputersysteme realisiert und in Zukunft in Rechenzentren integriert werden können. Dies wird ein ganzes Netzwerk von Zulieferfirmen sowohl im Bereich der Hardware wie auch bei der Software erfordern und führt aktuell dazu, dass viel in Firmen investiert wird, die in diesem Bereich tätig sind. Freilich ist dies mitunter der Aufmerksamkeit geschuldet, die dem Thema zuteilwird: Die hohen Erwartungen wirken als starke Treibkraft. Sie bergen allerdings auch das Risiko, dass aus Marketinggründen falsche Versprechungen abgegeben oder Forschungsresultate als bahnbrechender dargestellt werden, als sie es sind. Letzteres muss vermieden werden, um die kontinuierliche Weiterentwicklung dieser Technologie voranzutreiben.
Unabhängig davon, welcher Ansatz zum Bau eines Quantencomputers sich letztlich durchsetzt, ist die Schweiz in der ganzen Technologiebreite sehr gut aufgestellt, um auch in Zukunft weiterhin signifikante Beiträge zu leisten.
Allerdings wird kein einzelnes Land allein die Aufgabe meistern, Quantencomputing erfolgreich zu machen. Es braucht einerseits ein entsprechendes Ökosystem aus der entsprechenden Technologiezuliefererindustrie und Technologieanwender:innen. Hier gibt es nach wie vor grosses Potenzial für Schweizer Firmen, ihre Ausrichtung auf Produkte hoher Präzision und Qualität auch im Umfeld der Quantentechnologie besser zu vermarkten oder entsprechend anzupassen. Andererseits lebt auch die hiesige Forschung sehr stark von der internationalen Vernetzung. Mit dem Ende der Schweizer Assoziierung an Horizon Europe ist das Mitwirken an grossen europäischen Projekten gefährdet. Die durch die frühe Förderung der Grundlagenforschung erarbeitete Position (Nationale Forschungsschwerpunkte QSIT und SPIN) kann nur dann erhalten bleiben, wenn auch künftig genügend Investitionen in die Forschung und Entwicklung von Quantencomputing und das zugehörige Technologieökosystem getätigt werden. Dies wurde teilweise erkannt und mit der 2022 gegründeten Kommission Swiss Quantum Commission (SQC) unter der Leitung der Akademie der Naturwissenschaften SCNAT gibt es ein neues Instrument, welches die Schweizer Bestrebungen koordinieren soll. Auf jeden Fall bleibt es fundamental, dass Schweizer Firmen und Forschende auch weiterhin international eingebunden bleiben und bei den vielen Grossprojekten in Europa und weltweit als Partner:innen teilnehmen können.