Expert:innen: Greta R. Patzke (Universität Zürich), Kevin Sivula (EPFL)
Die künstliche Photosynthese ist ein Ansatz, um mit Sonnenlicht Wasserstoff oder synthetische Kohlenwasserstoffe zu erzeugen. Obwohl die dafür genutzten Verfahren heute erst am Anfang ihrer Entwicklung stehen und deshalb noch kaum wirtschaftlich zu betreiben sind, ist davon auszugehen, dass sie dereinst einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen Energieversorgung leisten.
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Künstliche Photosynthese bezeichnet eine Reihe unterschiedlicher Verfahren, die Sonnenlicht nutzen, um chemische Prozesse anzutreiben und dabei die natürliche Photosynthese imitieren, also den Prozess, mit dem Pflanzen Energie speichern oder Biomasse herstellen. Sowohl die künstliche als auch die natürliche Photosynthese nutzen Sonnenenergie, um Wassermoleküle in Wasserstoff und Sauerstoff aufzuspalten und anschliessend mit Kohlenstoffdioxid (CO2) aus der Atmosphäre oder aus industriellen Abgasen in Kohlenwasserstoffe umzuwandeln. Sowohl Wasserstoff als auch Kohlenwasserstoffe können als CO2-neutrale Energieträger oder für anderweitige Industrieprozesse genutzt werden.
Die Forschung und Entwicklung zur Wasserspaltung verfolgt hauptsächlich zwei Richtungen. Die einfachste Variante kombiniert die bestehenden Technologien der Photovoltaik und Elektrolyse, um in einem zweistufigen Verfahren Solarstrom zu erzeugen, der anschliessend im Elektrolyseur genutzt wird, um Wasser aufzuspalten. Diese Technologie ist bereits reif für die Anwendung, aber es gibt Raum für Forschung und Verbesserung, insbesondere bei Prozessen und Materialien – wie z. B. für günstigere Katalysatoren, bei Blasenbildung während der Elektrolyse, bei der Lebensdauer von Elektroden und für die Effizienzsteigerung. Andererseits wird die direkte, photo(elektro)-katalytische Nutzung von solarer Energie zur Wasserspaltung in einem Schritt vorangetrieben. Diese Technologie befindet sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium mit einzelnen Prototypen. Mit der direkten, in einem Schritt durchgeführten künstlichen Photosynthese wird zukünftig eine höhere Effizienz angestrebt als in den gängigen zweistufigen Verfahren.
Mit künstlicher Photosynthese erzeugter Wasserstoff kann einerseits gespeichert oder in Brennstoffzellen, Gasturbinen o. ä. verwendet werden, um elektrischen Strom zu erzeugen oder wasserstoffbetriebene Fahrzeuge anzutreiben. Auch kann der Wasserstoff als chemischer Rohstoff für die industrielle Produktion von Grundchemikalien (z. B. Ammoniak) verwendet werden. Mithilfe etablierter Technologien (z. B. Wassergas-Shift-Reaktion und Fischer-Tropsch-Reaktionen) können aus Wasserstoff und CO2 aus der Atmosphäre oder aus industriellen Abgasen CO2-neutrale Brenn- und Treibstoffe hergestellt werden. So kann die künstliche Photosynthese längerfristig dazu beitragen, Wasserstoff und weitere synthetische Energieträger als wichtige Grundlage für eine nachhaltige Energiewirtschaft zu etablieren und diverse Anwendungen in Verkehr und Industrie zu dekarbonisieren.
Die Schweiz ist nicht sehr geeignet, um selbst Wasserstoff und andere solare Brenn- und Treibstoffe herzustellen, da die Sonnenstunden hier kaum ausreichen. Andere Power-to-X-Lösungen sind dagegen vielversprechend. Etwa Windkraft-Elektrolyse. Gleichzeitig ist die Schweiz seit Langem führend in der Forschung und Entwicklung der Umwandlung der Sonnenergie. In Anbetracht der Bedeutung der Technologie der künstlichen Photosynthese besteht eine klare Chance für staatliche Förderstellen, die Grundlagenforschung und Entwicklung dieser Technologien stark zu unterstützen, damit das entwickelte geistige Eigentum in der Schweiz bleibt.
Systeme, die Photovoltaikzellen mit einem Elektrolyseur verbinden, sind bereits in Betrieb. Allerdings ist der so erzeugte Wasserstoff in aller Regel noch teurer als die konkurrierenden Methoden zur Wasserstoffgewinnung, etwa durch Dampfreformierung von Erdgas. Daher hat sich die Technologie noch nicht durchgesetzt. Entsprechend ist die zweistufige künstliche Photosynthese zur Erzeugung von Wasserstoff nicht konkurrenzfähig. Allerdings ist zu erwarten, dass der Preis für die Herstellung von Wasserstoff mittels Sonne- und/oder Wind deutlich sinken wird. Dennoch sind Forschung und Entwicklung noch notwendig, um die Kosten dieser Technologien zu senken.
Andere Ansätze für die künstliche Photosynthese in einem Schritt (z. B. photoelektrochemische oder photokatalytische Systeme) können aufgrund ihres integrierten Charakters wahrscheinlich effizienter und auf wirtschaftlich wettbewerbsfähigere Weise solare Brennstoffe erzeugen, allerdings sind diese Methoden technologisch weniger ausgereift und befinden sich derzeit noch im Stadium ihrer Erforschung.
Alle Verfahren der künstlichen Photosynthese benötigen nur Sonnenenergie sowie Wasser und CO2 als Ausgangsstoffe. Damit stehen sie in keinem Zielkonflikt mit der Nahrungsmittelproduktion und anderen Biomassenutzungen im Gegensatz zu anderen Herstellungsverfahren von Biotreibstoffen.
Forschungsanstrengungen auf allen Ebenen – von der Gewinnung grundlegender Kenntnisse über die Photokatalyse bis zur Durchführung von Pilotdemonstrationen von Technologien – sollen unterstützt werden. Der Nutzen für die Schweizer Wirtschaft ist derzeit noch im Anfangsstadium, doch die weitere Entwicklung der Grundlagentechnologien bietet grosse Chancen für die Schweiz, eine Vorreiterrolle bei der Etablierung neuer Energietechnologien zu übernehmen. Wegen der beschränkten Sonnenstunden in der Schweiz wird es primär darum gehen, die Machbarkeit der Verfahren der künstlichen Photosynthese in Pilotanlagen im Inland zu entwickeln und zu demonstrieren, um diese anschliessend an geeigneteren Standorten in anderen Weltregionen im kommerziellen Massstab umzusetzen. Dies böte eine gute Grundlage für zukünftige Schweizer Technologieexporte.