Expert:innen: Catherine Dehollain (EPFL)
Durch die Vernetzung von ehemals nicht digitalen Geräten untereinander und mit dem Internet ergeben sich viele Chancen im Hinblick auf Produktentwicklung und effizientere Produktionsprozesse. Um die riesigen Chancen zu nutzen, braucht es Mut, klare Visionen und ein Design, das sich an den Bedürfnissen der Nutzer:innen orientiert. Im Bereich der medizinischen Anwendungen steht die Schweiz gut da, allerdings gibt es im Vergleich mit China und den USA regulatorische Hindernisse für Start-ups und KMU. Die Förderung der Basistechnologie ist gut; komplexere Projekte, die unterschiedliche Disziplinen zusammenbringen, haben es jedoch nicht leicht, an entsprechende Fördermittel zu gelangen.
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Das Internet der Dinge (engl. Internet of Things, IoT) steht für die Vision, dass potenziell jeder physische Gegenstand mit dem Internet verbunden ist. Im Zentrum steht das Bestreben, Geräte untereinander und mit dem Internet zu vernetzen, die traditionell nicht datenverarbeitend sind. Damit verschmelzen physische und digitale Welt, was neue Produkte und Dienstleistungen ermöglicht. Anwendungsbereiche des IoT sind zum Beispiel Smart City, Smart Home, Smart Manufacturing und Smart Mobility.
Ein IoT-System besteht üblicherweise aus mehreren Knoten und einer Basisstation, an welche die verschiedenen Knoten angeschlossen sind. Jeder dieser Knoten verfügt über die Funktion, mittels Sensoren Daten zu erheben und diese als digitales Signal an die Basisstation zu senden oder von der Basis Daten zu empfangen. Manche IoT-Knoten verfügen über Rechenkapazität, andere nicht.
Dadurch, dass IoT mehr Konzept als eine spezifische Technologie ist, sind die Anwendungsmöglichkeiten sehr weitreichend. IoT-Anwendungen verfügen in sehr vielen und sehr unterschiedlichen Branchen über grosses disruptives Potenzial.
Den Begriff Internet of Things gibt es seit 1999. Seither hat sich nicht nur das Konzept stark entwickelt, auch Sensoren und Technologien zur Übertragung und Verarbeitung von Daten sind besser und günstiger geworden. Zahlreiche Technologien wie RFID, Bluetooth und WLAN sind bereits breit etabliert. 5G wird ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur weiteren Verbreitung von IoT-Anwendungen leisten.
Während sich der Diskurs um das Internet der Dinge in den letzten Jahren, um nur einige wenige Beispiele zu nennen, vornehmlich um Anwendungen in der Gebäudetechnik, der digitalen Landwirtschaft und der Automation in der Fertigung (siehe Beitrag Connected Machines) drehte, zeichnen sich nun auch vielversprechende medizinische Anwendungen ab. Gerade im Bereich der Überwachung von Patient:innen. So kann heute der Gesundheitszustand von Patient:innen mit Herzproblemen aus der Ferne überwacht werden. Ferner ist denkbar, dass die Medikation durch das andauernde Erheben von Vitalparametern dynamisch erfolgt und die tägliche Kondition in der Berechnung der Wirkstoffmenge berücksichtigt wird.
Medizinische IoT-Geräte können entweder stationär in Spitälern oder ärztlichen Praxen eingesetzt werden oder sie dienen der Fernüberwachung von Patient:innen. Im letzteren Fall handelt es sich entweder um trag- oder implantierbare medizinische Geräte. Dabei kommunizieren diese Geräte drahtlos mit der Basisstation, etwa einem Smartphone oder einem Gerät, das die entsprechenden Daten an einen Gesundheitsdienstleister weiterleitet oder direkt auswertet.
Je nach Anwendungsbereich liegen die Herausforderungen etwas anders. Im Bereich der medizinischen IoT-Geräte zielen die Anstrengungen in der Forschung auf das Senken des Energieverbrauchs ab mit dem Anspruch, die Lebensdauer der eingesetzten Batterien zu maximieren. Denn bei Implantaten erfordert ein Batteriewechsel immer auch einen operativen Eingriff. Zudem wird derzeit an Technologien geforscht, um diese Geräte auch drahtlos aufladen zu können, indem magnetische, elektromagnetische oder akustische Kopplungen verwendet werden, die beim Implantat einen Strom induzieren. Dieser Strom wird dann genutzt, um eine Batterie aufzuladen.
Zu den technologischen Herausforderungen kommen rechtlich-regulatorische hinzu. Die Regulatorien sind besonders drastisch für die Hersteller von Medizinprodukten. Die erforderlichen Zertifizierungen sind in Europa nur sehr schwer zu bekommen, insbesondere für KMU und Start-ups. In den USA werden mithin provisorische, an spezifische Bedingungen geknüpfte Zertifizierungen von der Food and Drug Administration (kurz: FDA) vergeben. Dies erlaubt den entsprechenden Unternehmen ihre Forschung und Produktentwicklung weiterzutreiben. Ein solches Gefäss fehlt in Europa.
Ökonomische Herausforderungen stellen sich insbesondere für Unternehmen aus der produzierenden Industrie. Diese haben oft Mühe, sinnvolle IoT-Anwendungen zu implementieren. Denn die Integration von IoT-Anwendungen in ihre Geschäftsprozesse und Produkte betrifft mithin auch das Geschäftsmodell.
Anwendungen im Bereich des Internets der Dinge haben grosses Potenzial in verschiedenen Branchen. Nicht nur im Hinblick auf medizinische Geräte, auch in der Landwirtschaft. Geräte, die mit entsprechenden Sensoren ausgestattet sind, können einzelpflanzenspezifisch Düngen oder Pflanzenschutzmittel ausbringen.
Die produzierende Industrie hat für die Schweiz eine zentrale Bedeutung. Interne Prozesse können durch die Vernetzung von Geräten untereinander (siehe Beitrag Connected Machines) effizienter und ökologischer gestaltet werden, zudem erlauben IoT-Technologien neue Produkte und Dienstleistungen (Smart Products). In der produzierenden Industrie braucht es Mut und Pragmatismus, um die Chancen, die sich durch IoT-Anwendungen ergeben, zu nutzen. Um den Genfersee existiert ein vitales Ökosystem für die Produktion von medizinischen IoT-Geräten dank der EPFL, dem CHUV, dem Campus Biotech, dem CSEM und vielen dort ansässigen Unternehmen. Der Draht zur ETH Zürich und zu anderen Hochschulen in der Schweiz ist gut.
Die Förderung im Bereich der Einzeltechnologien für IoT ist ausreichend. Mit SNF und Innosuisse verfügt die Schweiz über Gefässe, mit denen nicht nur die akademische Forschung, sondern auch der Technologietransfer in die Industrie gefördert werden.
Im Bereich der Entwicklung von IoT-Geräten mit medizinischem Zweck ist die Förderung angesichts des hiesigen Potenzials und verglichen mit China, Japan und den USA eher gering.