Expert:innen: Luc Thévenaz (EPFL)
Faseroptische Sensoren können wegen ihres geringen Durchmessers in unterschiedlichste Materialien eingebettet werden und messen Struktur- und Temperaturveränderungen auch unter widrigen Bedingungen, was sie für den Einsatz in der Medizin prädestiniert. Zudem liefern sie nahtlos Messwerte entlang grosser Distanzen, eine Eigenschaft, die vor allem in der Überwachung von Energieinfrastruktur und Bauwerken zum Einsatz kommt. «Swiss made» kann hier einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil verschaffen. Innovative Lösungen stammen hauptsächlich aus Start-ups und eine entsprechende Ausgestaltung der wirtschaftlichen Umgebung dürfte sich auszahlen.
Bild: Solen Feyissa, Unsplash
Faseroptische Sensoren sind Fasern, die als Messgeräte genutzt werden und die Messergebnisse nicht mit einem elektrischen, sondern einem optischen Signal übertragen – also mit Licht. Die Sensoren bestehen mehrheitlich aus Siliziumdioxid, welches unter dem Begriff Quarzsand als Hauptbestandteil von Glas bekannt ist. Das Material ist elektrisch isolierend und chemisch nicht reaktiv. Wegen dieser Eigenschaften und ihres geringen Durchmessers in der Grössenordnung eines menschlichen Haars können die Sensoren in unterschiedlichste Materialien und Objekte eingebettet werden.
In der Nachrichten- und Kommunikationstechnik übertragen optische Signale in Glasfaserkabeln Daten. Die Signalübertragung in den Kabeln reagiert aber auf geometrische Änderungen wie Druck oder Zug. An diesem Punkt setzen die faseroptischen Sensoren an: Bei ihnen ist Signalstörung durch Deformation erwünscht und wird als Messgrösse eingesetzt. Die optischen Fasern messen demnach dank ihrer Materialeigenschaften Struktur- oder Temperaturänderung im Material, in das sie eingebettet sind – und das selbst unter harschen Bedingungen wie bei elektromagnetischer oder radioaktiver Strahlung oder in toxischen Substanzen. Darüber hinaus können diese Sensoren gemultiplext werden: Eine einzelne Faser kann Signale unterschiedlicher Wellenlänge leiten, sodass sie bis zu 100 Punktsensoren ansprechen kann. Klassische elektrische Sensoren benötigen dazu separate Anschlüsse, was zu einem Kabelbündel führt. Das Multiplexing ist für die Luft- und Raumfahrt sowie für die Überwachung des Zustands von Infrastruktur besonders attraktiv, da bei diesen Anwendungen unzählige Messpunkte angesteuert werden müssen.
Ein entscheidender und einzigartiger Vorteil der faseroptischen Sensorik ist die Möglichkeit, dass jeder Punkt entlang der Faser eine unabhängige Messung der zu messenden Grösse liefern kann: Die Faser agiert als kontinuierlicher Zeilensensor, der eine vollständige Karte der gemessenen Grösse im Verhältnis zur Entfernung liefert. So erkennen faseroptische Sensoren Lecks entlang langer Öl- und Gaspipelines, heisse Stellen an Stromkabeln und Verformungen an den Blättern von Windturbinen. Sie tragen somit dazu bei, die Belastung in Energiesystemen zu optimieren.
In Zukunft werden medizinische Anwendungen an Wichtigkeit gewinnen: Faseroptische Sensoren sind günstig und lassen sich aufgrund ihrer geringen Grösse leicht in Katheter einführen und schaffen so ideale Bedingungen für die Überwachung von Patient:innen – bei MRI- oder CT-Untersuchungen sind sie sogar die einzige Möglichkeit. Eine Alternative ist, die Sensoren in Kleidungsstücke einzuarbeiten, die während einer Untersuchung getragen werden. Mögliche Anwendungen im Bauwesen umfassen den Einbruchsschutz und die Frühwarnung vor Erdbeben wie auch die systematische Überwachung von öffentlichen Infrastrukturen, Wasserleitungen und Strassen.
Diese fortschrittliche Technologie fördert die Entwicklung von Instrumenten mit hohem Mehrwert und profitiert von hoch qualifizierten Arbeitskräften. Sie eignet sich gut für die Schweizer Industrie mit ihrer Tradition in der Präzisionsfertigung. «Swiss made» kann hier einen entscheidenden Unterschied machen, da es um die Sicherheit und Kontrolle kritischer Infrastruktur geht. Die faseroptischen Sensoren sind eine Produktpalette, bei der die Schweiz ihre Exzellenz unter Beweis stellen kann und die zudem auf einen globalen Markt ausgerichtet ist. Darüber hinaus kann die Technologie die Schweiz an die Spitze eines globalen gesellschaftlichen Anliegens stellen, das eine energieeffiziente und sichere Nutzung von Infrastruktur zum Ziel hat.
Die Herausforderungen auf technischer Seite liegen in den hohen Kosten der Abfrageeinheiten (10'000–100'000 Schweizer Franken). Sie schränken vor allem die Anwendungen im Bauwesen stark ein, da für die Überwachung von Bauwerken eine grosse Anzahl an Messpunkten erforderlich ist. Photonisch integrierte Schaltungen bieten einen möglichen Lösungsansatz. Die Baubranche ist jedoch mehrheitlich konservativ eingestellt und nimmt neue Technologien nur langsam auf.
Auf gesellschaftlicher Ebene kann die Erhebung grosser Datenmengen als Bedrohung für die Privatsphäre empfunden werden; der Rechtsrahmen sollte frühzeitig angepasst werden, um potenziellem Datenmissbrauch entgegenzuwirken.
Die Forschung an optischen Fasern wurde bis anhin nicht von einem grossen nationalen Forschungsprogramm unterstützt, sondern von den Telekommunikationsfirmen. Die Innovation wird in Jungfirmen und nicht in Grossunternehmen stattfinden und es dürfte sich lohnen, die (kantonale) Wirtschaftsförderung entsprechend auszurichten. Noch sind die Schweizer Firmen in Nischenmärkten führend; die Konkurrenz aus Europa und China entwickelt sich aber schnell und dürfte die Lücke schliessen.