Diamantbasierte Photonik

Expert:innen: Christian Degen (ETH Zürich), Patrick Maletinsky (Universität Basel), Niels Quack (Universität Stuttgart / Institut für Mikroelektronik Stuttgart)

Diamanten sind aufgrund ihrer Eigenschaften für photonische Anwendungen prädestiniert. Gelingen die Skalierung und eine gleichzeitige Senkung der Produktionskosten, könnte die Photonik auf Diamantbasis die Sensorik und Quantentechnologien revolutionieren. Innovationen in der Analyse und in der Bearbeitung von Oberflächen, in der medizinischen Diagnostik und bei der sicheren Datenübertragung könnten Produktreife erlangen. Die Schweiz hat mit ihrer starken Forschungskompetenz und den hoch qualifizierten Fachkräften in Nischenmärkten grosses Potenzial. Hindernd wirken jedoch der hohe Finanzierungsbedarf und das damit verbundene Risiko für Kapitalgeber:innen.

Bild: David Clode, Unsplash

Definition

Diamantbasierte Photonik bezeichnet den Einsatz von Diamanten zur Erzeugung, Kontrolle und Nutzung von Licht. Diamant besteht nahezu ausschliesslich aus Kohlenstoff, der in einer einzigartigen dreidimensionalen Kristallstruktur angeordnet ist. Diamanten zeichnen sich neben ihrer Härte durch aussergewöhnliche optische Eigenschaften aus: Sie sind lichtdurchlässig über weite Wellenlängenbereiche und sie verfügen über eine enorm hohe Wärmeleitfähigkeit. Fehlstellen in der kristallinen Struktur von Diamanten werden ebenfalls technisch genutzt. Besonders relevant für die Photonik sind sogenannte Stickstoff-Vakanz-Zentren oder NV-Zentren (NV = nitrogen vacancy). Diese entstehen, wenn ein Stickstoffatom anstelle eines Kohlenstoffatoms in das Gitter eingebaut wird und gleichzeitig das benachbarte Kohlenstoffatom fehlt. Es kommt zu einer Leerstelle, einer Vakanz. NV-Zentren emittieren Licht, sind empfindlich gegenüber Magnetfeldern und zeigen interessante quantenmechanische Eigenschaften, die sogar bei Raumtemperatur bestehen. 

In der diamantbasierten Photonik werden sowohl natürliche als auch synthetische Diamanten verwendet. Synthetische Diamanten kommen aufgrund ihrer kontrollierbaren Eigenschaften und der Möglichkeit, sie in grossen Mengen zu produzieren, häufiger zum Einsatz.  

Heutige Anwendungen und Chancen

Traditionelle Anwendungen von Diamant sind Werkzeuge wie Schneider und Bohrer, die in der Präzisionsbearbeitung von optischen Komponenten und in der Herstellung von optischen Fasern eine Rolle spielen. Diamant wird in photonischen Systemen wie Hochleistungslasern, optischen Verstärkern und Spektroskopen eingesetzt. All diese Geräte erzeugen im Betrieb viel Wärme, welche der Diamant aufgrund seiner hohen Wärmeleitfähigkeit effizient ableitet. 

Neue Anwendungen finden sich in der Quantensensorik. Denn Diamanten mit NV-Zentren können in ihrer Umgebung einzelne Moleküle und Atome detektieren, weshalb sie als Sensoren genutzt werden. Sie ermöglichen eine hochauflösende Analyse und Manipulation von Materialien. Deshalb werden sie in der Industrie für die Charakterisierung von Oberflächen eingesetzt, in der Geophysik zur Messung von Magnetfeldern und in der Medizin für magnetische Resonanzbilder von Organen. 

Die diamantbasierte Photonik bietet grosse Chancen für Wissenschaft, Industrie und Gesellschaft. Die Technologie steht noch am Anfang und erlaubt in der Forschung neue Entdeckungen, die zu Patenten mit industrieller Relevanz führen können. Das Forschungsfeld ist für akademische, technisch versierte Fachkräfte attraktiv. Dies zieht Unternehmen und Kapital an und fördert auch die Firmengründung.  

Wirtschaftlich bietet die diamantbasierte Photonik für die Schweiz Chancen in interessanten Nischen, die spezialisierte Infrastrukturen wie Reinräume und hoch qualifiziertes Personal erfordern. Der Wissenstransfer von den Hochschulen in die Industrie ist hierzulande eine Herausforderung; deshalb spielen Pilotanlagen wie beim Eidgenössischen Institut für Metrologie (Metas) oder beim Centre Suisse d'Electronique et de Microtechnique (CSEM) eine wichtige Rolle, um das vorhandene Wissen zu teilen und nutzen. Für die Gesellschaft bietet diamantbasierte Photonik nicht nur Vorteile bei der Navigation in der Mobilität und in der medizinischen Diagnostik, sondern auch bei der sicheren Übertragung von Daten im Zeitalter von Quantencomputern

Herausforderungen

Die Photonik auf Diamantbasis steht vor mehreren technischen Herausforderungen. Ein zentraler Aspekt ist die Skalierung der Diamanten für die Massenproduktion von grossen Substraten. Die Technologie zur Skalierung ist vorhanden, jedoch sind Fortschritte in der Materialforschung nötig, um den Preis für industriell gefertigte Diamanten zu senken. Auch ist die Kontrolle von NV-Zentren noch nicht ausgereift. 

Eine wichtige Fragestellung bleibt auch, wie und in welchen Anwendungen sich der Einsatz der momentan (noch) teuren NV-Sensoren lohnt. Solche Anwendungen müssen in Zusammenarbeiten zwischen Wissenschaft und Industrie identifiziert und gezielt weiterentwickelt werden. 

Die Quantentechnologien sind, im Gegensatz zu den meisten Forschungsfeldern, weiterhin Gegenstand spezifischer Diskussionen zwischen der Schweiz und der EU, welche aber bald zugunsten der Schweiz geklärt sein könnten. Erschwerend kommt ein Einbruch bei der Förderquote durch den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und eine sehr tiefe Akzeptanzquote für Quantenprojekte bei Innosuisse hinzu. Zudem verstreicht zwischen Bestellung und Bezahlung der teuren Geräte durch die Kund:innen häufig viel Zeit – eine Tatsache, die vor allem für die kleinen, produzierenden Schweizer Unternehmen problematisch ist. Exportkreditgarantien durch Banken wären überlebenswichtig. 

Fokus Industrie

Der Vorteil diamantbasierter Photonik begrenzt sich zurzeit auf industrielle Anwendungen, die sich auf die überragenden Eigenschaften von Diamant abstützen und von dessen hoher Lichtqualität und Wellenlängenbreite profitieren. Dies führt zu einer verbesserten Leistung der optischen Geräte und ermöglicht Energieeinsparungen. Zudem erlauben die überragenden Eigenschaften von Diamanten die Entwicklung von hochsensiblen Sensoren beispielsweise zur Überwachung der Materialqualität und der Umwelt. Diamantbasierte Geräte lassen sich meist einfach in bestehende optische Systeme integrieren. 

Für die Entwicklung von Technologien in der diamantbasierten Photonik sind hoch qualifizierte Fachkräfte mit Kenntnissen in Feinmechanik, Materialwissenschaften, Informatik, Ingenieurwissenschaften, Physik und Präzisionsfertigung erforderlich. Die Arbeit in interdisziplinären Teams sowie analytische Fähigkeiten und Problemlösungsfähigkeiten sind entscheidend. Im Anwendungsbereich der Technologie sind Ingenieur:innen für die Systemintegration der Sensoren sowie versierte Techniker:innen für Unterhalt und Betrieb gefragt. 

Die ETH Zürich und EPFL bieten Studiengänge in Photonik und Quanteningenieurwesen an, die den Bedarf an hoch qualifizierten Entwickler:innen decken sollen. Auch an Fachhochschulen wie der FHNW, Hochschule Luzern und ZHAW werden ähnliche Studiengänge entwickelt; Ziel sollte es sein, qualifizierte Anwender:innen auszubilden. Momentan reicht die Anzahl der Studienabgänger:innen allerdings nicht aus, um die wachsende Nachfrage abzudecken. 

Internationale Perspektive

Die Positionierung der Schweiz hängt bei der Entwicklung der diamantbasierten Photonik von der Anwendung ab. Bei Nischenanwendungen wie der Sensorik ist die Schweiz im internationalen Vergleich stark; in grösseren und komplexeren Bereichen wie der Entwicklung von Quantencomputer läuft sie jedoch Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Die Schweiz ist zwar führend in der Grundlagenforschung, beheimatet aber keine industriellen Akteur:innen. 

Die Kommerzialisierung gestaltet sich schwieriger als in führenden Ländern wie den USA, da es in der Schweiz weniger staatliche Fördergelder und eine geringere Risikobereitschaft bei den Kapitalgeber:innen gibt. Dies stellt eine Herausforderung dar, da viele der beschriebenen Technologien mit hohen Kosten und grossen Risiken verbunden sind.  

Zukünftige Anwendungen

Es zeichnen drei Anwendungscluster ab:  

1) Das Aufbringen von Diamant auf Leiterplatten ermöglicht, Licht als Signal- und Übertragungsmedium für Chips zu nutzen (siehe PICs).  

2) NV-Zentren in Diamanten können als Qubits für Quantensensorik oder -kommunikation genutzt werden. Laser regen solche Zentren an. Daraus folgen quantenmechanische Phänomene, etwa Spin-Verschränkungen, die für oben genannte Bereiche genutzt werden können. NV-Zentren werden auch bei der sicheren Übertragung von Informationen eine Rolle spielen: Das Quanteninternet ist noch ein hypothetisches, auf Quantenkommunikation basierendes Netzwerk, das Informationen mittels Quanten sicher und über grosse Entfernungen austauschen kann. Auch wenn ein solches Netzwerk noch in ferner Zukunft liegt, ist die Anwendung wahrscheinlicher als der Einsatz von NV-Zentren für Quantencomputer.  

3) In Zukunft dürfte auch die Strukturierung von Diamanten an Bedeutung gewinnen. So kann ein Diamant mit spezifischen optischen Eigenschaften für Hochleistungslaser designt werden. Dank der Möglichkeit, Diamant zu strukturieren, könnte auch die Echtheit von synthetischen Schmuckdiamanten sichergestellt werden. 

Diamantbasierte Photonik hat das Potenzial, die Bereiche Sensorik und Quantenkommunikation zu revolutionieren. Die einzigartigen Eigenschaften von Diamant wie die hohe Lichtdurchlässigkeit und Wärmeleitfähigkeit könnten bahnbrechende Innovationen in der Materialanalyse und sicheren Datenübertragung ermöglichen. Die Schweiz verfügt über eine hohe Forschungskompetenz und gut ausgebildete Fachkräfte, was ihr in Nischenanwendungen einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Allerdings stellen der hohe Finanzierungsbedarf und das damit einhergehende Risiko für Kapitalgeber:innen eine Herausforderung dar.

Weiterführende Informationen

Element Six. (2020) The Element Six CVD Diamond Handbook.  

S Mi, M Kiss, T Graziosi, N Quack. (2020) Integrated photonic devices in single crystal diamond

R Schirhagl, K Chang, M Loretz, CL Degen. (2014) Nitrogen-vacancy centers in diamond: nanoscale sensors for physics and biology.  

I Aharonovich, AD Greentree, S Prawer. (2011) Diamond photonics.  

Keywords

Single Crystal Diamond, Monocrystalline Diamond, NV Center, Color Center Quantum Sensing, Thin Film Diamond, Diamond Photonics 

Akademische Akteur:innen

Yiwen Chu (ETH Zürich), Christian David (PSI), Christian Degen (ETH Zürich), Patrick Maletinsky (Universität Basel), Christophe Galland (EPFL), Ulrike Grossner (ETH Zürich), Aleksandra Radenovic (EPFL), Rainer Wallny (ETH Zürich) 

Firmen

Neocoat, Proud, Qnami, Qzabre