Expert:innen: Daniel Liebhart (ZHAW), Philipp Schmid (CSEM)
Vernetzte Maschinen sind ein potenzieller Gamechanger in der produzierenden Industrie, denn sie ermöglichen neue Fertigungsprozesse und Geschäftsmodelle in der produzierenden Industrie. Das Konzept erfordert verbesserte Informations- und Datenflüsse zwischen den einzelnen Komponenten und Anlagen in den Produktionsprozessen. Für ein Hochlohnland wie die Schweiz wird sich die Vernetzung von Maschinen zu einer Schlüsseltechnologie entwickeln. Damit dies gelingt, braucht es Spezialist:innen, die über Wissen und Fertigkeiten in ICT sowie im Maschinen- und Anlagebau verfügen.
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Beim Ansatz der Connected Machines, der vernetzten Produktion, werden Maschinen und Fertigungsanlagen so miteinander verbunden, dass sie Daten und Informationen austauschen. Idealtypisch werden die einzelnen Maschinen und Anlagen zu einem Gesamtsystem, zu einer Smart Factory, verbunden, das auf durchgängige Daten- und Informationsflüsse angewiesen ist und mit Produktionsänderungen auf Umwelteinflüsse reagiert. Ein anderer denkbarer Anwendungsfall ist das Verbinden räumlich getrennter Maschinen, was sowohl Vorteile für die Produktion als auch neue Dienstleistungen ermöglicht.
In gewisser Weise handelt es sich beim Ansatz der Connected Machines um eine industrielle Version des Internet of Things (IoT), auch Industrial Internet of Things (IIoT) genannt. Bei Anwendungen im Feld des IIoT liegen die Herausforderungen anders als bei herkömmlichen, nicht industriellen IoT-Anwendungen. Diese bestehen im Erfassen und Abbilden des Produktionsprozesses (s. Beitrag Digitaler Zwilling) und damit nicht wie bei herkömmlichen IoT-Anwendungen in der Stromversorgung, Datenübertragung und Sicherheit. Anwendungen im Bereich der Connected Machines ermöglichen Prozessautomatisierung und -optimierung, reichen aber, zumindest in der Theorie, bis hin zu Konzepten wie Predictive Quality, das davon ausgeht, dass die Qualität der produzierten Güter verbessert und im Voraus abgeschätzt werden kann, wenn alle relevanten Parameter bekannt sind.
Connected Machines können in allen Bereichen der produzierenden Industrie und an vielen Stellen der Wertschöpfungskette eingesetzt werden: in der Verarbeitung von Roh- und Grundstoffen, beim Zusammenbau von Produkten aus Bestandteilen und in der Logistik, aber auch für Service und Dienstleistungen, sodass sich aufseiten der Anwendenden neue Geschäftsmodelle durch eine Vernetzung von Maschinen und Geräten ergeben. Eine derartige Digitalisierung der Produktionsprozesse ermöglicht ebenfalls eine Optimierung von bestehenden Abläufen. Denkbar ist eine Inline-Qualitätskontrolle. Damit wird die Qualitätskontrolle von Bauteilen und Gütern im Fertigungsschritt unternommen und nicht wie bei traditionellen Ansätzen als nachgelagerter Schritt zur Produktion. Auch Smart Maintenance wird möglich durch Connected Machines. Dies meint, dass die Vorhersage von möglichen Ausfällen und Wartungsstrategien zustandsbasiert anhand von Daten entstehen.
In Bezug auf die Entwicklung der Einzeltechnologien steht die Schweiz gut da. Sowohl die Hochschulen als auch die Industrie treiben die Technologieentwicklung voran. Allerdings steht die Kommerzialisierung von Ansätzen aus dem Bereich der vernetzten Maschinen erst am Anfang. Eine Schätzung geht davon aus, dass lediglich 10–20 Prozent der Unternehmen in der produzierenden Industrie Versuche mit der Vernetzung ihrer Produktion pilotiert oder gar implementiert haben.
Die Digitalisierung der Produktion mit vernetzten Maschinen wird sich zu einer Schlüsseltechnologie für die Industrien in Hochlohnländern wie der Schweiz entwickeln. Durch eine geschickte Nutzung solcher Connected Machines würde die Produktion qualitativ hochwertiger, effizienter und damit nachhaltiger werden. Neben einer Reduktion der Kosten sind auch eine Flexibilisierung oder gar robustere Produktionsprozesse als Ziel der Digitalisierung von Produktionsprozessen denkbar. Gelingt dies, wird sich die Zufriedenheit der Kund:innen erhöhen, da Produkte qualitativ hochwertiger, günstiger oder schneller verfügbar sind. Predictive Quality geht davon aus, dass die Qualität der produzierten Güter präzise an die Bedürfnisse der Kund:innen angepasst werden kann, wenn alle für die Qualität eines Produktes relevanten Parameter bekannt sind. Dazu müssen die entsprechenden Prozesse und alle relevanten Parameter gezielt gesteuert werden können.
Bei der Herstellung und Kommerzialisierung von vernetzten Maschinen zeichnen sich Herausforderungen auf zwei Ebenen ab. Dazu müssen die einzelnen Maschinen und ihre Komponenten allerdings zu einem intelligenten und schnell auf Produktionsänderungen reagierenden Gesamtsystem verbunden werden. Dies erfordert, dass die Qualität der erhobenen Daten genügend hoch ist und sie entsprechend schnell übermittelt und ausgewertet werden können.
Alle Hochschulen und Forschungsinstitute unterhalten Aktivitäten in dem Bereich. Einzelne Grossunternehmen sind ebenfalls aktiv im Bereich der Connected Machines. In der akademischen Lehre und der beruflichen Ausbildung von Fachkräften besteht allerdings Handlungsbedarf. Wissen und Fertigkeiten müssen gefördert werden – insbesondere im Schnittfeld von ICT, dem Maschinen- und Anlagebau sowie spezifischem Wissen aus den jeweiligen Branchen, in denen Connected Machines zum Einsatz kommen. Denn Maschinen lassen sich nur dann sinnvoll vernetzen und implementieren, wenn diese drei Wissens- und Kompetenzbereiche zur Deckung kommen.