Expert:innen: Vitus Ammann (SBB), Thomas Puschmann (Universität Zürich)
Die Blockchain ist eine Methode zum sicheren und transparenten Speichern von Informationen. Die Kryptowährung Bitcoin und die ihr zuteilgekommene Aufmerksamkeit haben in den letzten Jahren zu einem Boom an Ideen geführt, wo diese Technologie sonst noch eingesetzt werden könnte. Viele Anwendungen befinden sich zurzeit im Stadium des Experimentierens.
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Blockchain ist ein Prinzip zum verteilten und sicheren Speichern von Information, also eine Art Datenbank. Die zu speichernden Informationen werden zu Blöcken (engl. block) zusammengefasst und in einer Kette (engl. chain) abgelegt. Die Verkettung der einzelnen Blöcke erfolgt, indem jeder Block eine Art Zusammenfassung – der Hash-Wert – des vorangehenden Blocks enthält, und sorgt so für die Sicherheit der gespeicherten Information. Eine unbefugte Modifikation von bereits gespeicherten Informationen müsste also die gesamte Kette gleichzeitig verändern.
Insbesondere öffentliche Blockchains, also solche mit einem uneingeschränkten Kreis von Nutzenden, werden nicht auf einem einzelnen Rechner gespeichert, sondern in einem dezentralen Netz. Entsprechend befinden sich Kopien derselben Blockchain auf unterschiedlichen Rechnern. Die verteilte Speicherung erhöht die Sicherheit dadurch, dass auch die Mehrzahl an Kopien derselben Blockchain modifiziert werden müssten. In Theorie ist das zwar möglich, erfordert in der Praxis jedoch fast unmöglich viel Rechenkapazität.
Bei jedem neuen Block muss festgestellt werden, ob dieser rechtmässig ist oder nicht. Ist er rechtmässig, wird er gleichzeitig allen Kopien hinzugefügt. Dazu gibt es verschiedene Methoden, die mitunter davon abhängig sind, ob es sich um eine öffentliche oder private Blockchain handelt. Im Vergleich zu privaten Blockchains kann bei öffentlichen Blockchains im Prinzip jede Person teilnehmen. Damit bei diesen nicht beliebig viele neue Blöcke entstehen, wird die Teilnahme eingeschränkt, sei es dadurch, dass nur diejenigen Teilnehmer:innen neue Blöcke erstellen dürfen, die mit entsprechend grossen Vermögenswerten bzw. dem Proof-of-Stake oder mittels hoher Rechenkapazitäten, dem Proof-of-Work, investiert sind. Gerade die Proof-of-Work-Methode hat einen enorm hohen Stromverbrauch. Die Kryptowährung Bitcoin, die einen solchen Proof-of-Work-Mechanismus nutzt, hat einen Stromverbrauch, der dem doppelten der Schweiz entspricht. Durch die Umstellung von einem Proof-of-Work- zu einem Proof-of-Stake-Verfahren konnte Ethereum den Energieverbrauch der weltweit meist genutzten Blockchain um 99 Prozent reduzieren.
Bei der Information in der Blockchain kann es sich um Verträge, Non-Fungible Tokens (kurz: NFT, nichtteilbare Werte), Kryptowährungen (teilbare Werte), Zertifikate oder andere Informationen handeln.
Blockchains und Distributed-Ledger-Technologie (d. h. verteilte Hauptbücher) werden vielfach synonym und ohne klare Abgrenzung voneinander verwendet. Technisch korrekt ist, dass Blockchains eine Unterkategorie von Distributed-Ledger-Technologien sind.
Die Tatsache, dass mit der Veröffentlichung der Blockchain-Technologie Bitcoin erschaffen wurde, mag vielleicht zu einem Teil erklären, weshalb die Blockchain-Technologie anfänglich insbesondere für Kryptowährungen genutzt wurde und weshalb derzeit ein Transfer in klassischere Bereiche des Bankings stattfindet. Die Schweizer Börse SIX gehört zu den Pionier:innen im Verbinden der Blockchain-Technologie mit Anleihen.
Enthusiast:innen sehen Blockchain als Teil einer neuen Infrastruktur für die nächste Generation des Internets – das Internet der Werte und das Internet des Vertrauens. Behalten sie recht, hat dies grosse Auswirkungen für Dienstleistungsunternehmen wie auch für die Industrie. Vor allem in Kombination mit dem Internet of Things (kurz: IoT, d. h. Internet der Dinge) könnten neue, interessante Anwendungen für die Industrie entstehen. Ein Beispiel ist der Handel von elektrischem Strom. Mit Smart Meters (d. h. einem intelligenten Stromzähler) und Solarpanels ausgestattete Häuser ermöglichen eine Steuerung des Stromverbrauchs. Das Haus verkauft den überschüssigen Strom vollautomatisch an ein anderes oder an den Netzbetreiber. Solche Smart Contracts (d. h. intelligente Verträge) sind ebenfalls eine potenzielle Blockchain-Anwendung. Sie ermöglichen, dass Computer miteinander Handel treiben und etwa Energie und eine geldwerte Gegenleistung tauschen.
Die verschiedenen Einsatzgebiete, die sich abzeichnen, sind allesamt solche, bei denen Informationen so gespeichert werden müssen, dass sie zwar ausgelesen werden, jedoch nachträglich nicht mehr abgeändert werden können. Damit übernimmt die Blockchain die Aufgabe einer vertrauenswürdigen Mittlerinstanz. In der Praxis sind die Anwendungen sehr verschieden, etwa zur Dokumentation von Lieferketten in der Pharmaindustrie oder zur Verwaltung von Zertifikaten. Ein weiteres im Entstehen begriffenes Anwendungsgebiet sind digitale, staatlich anerkannte Identitätsnachweise (E-IDs). Die neue Schweizer Lösung und wahrscheinlich auch die europäische werden auf einer Distributed Ledger oder einer Blockchain als Vertrauensnetzwerk aufbauen. Solche E-IDs ermöglichen es, eine Person im Netz eindeutig zu identifizieren. Damit werden auch E-Government-Anwendungen möglich.
Ein weiteres Anwendungsfeld, das derzeit erforscht wird, sind sogenannte Central Bank Digital Currencies, kurz CBDC, also von Zentralbanken emittierte digitale Währungen wie beispielsweise digitale Schweizer Franken. Denkbar sind zwei verschiedene Ansätze: Der Wholesale CBDC oder ein Retail CBDC. Während ersterer nur an Geschäftsbanken ausgegeben wird, würde es ein Retail CBDC auch Privatpersonen erlauben, digitale Franken (analog dem Bargeld) von der Schweizer Nationalbank zu beziehen. Derzeit scheint sich der Wholesale-Ansatz in der Schweiz durchzusetzen. Ob ein solcher CBDC auf Basis einer Blockchain oder einem anderen System realisiert wird, ist noch eine ungeklärte Frage.
Viele Blockchain-Anwendungen befinden sich zurzeit im Experimentierstadium, was dazu führt, dass Skeptiker:innen in der Blockchain eine Technologie sehen, die noch auf der Suche nach dem Problem ist, das sie löst.
Während in den letzten Jahren in vielen Unternehmen Pilotprojekte liefen, zeigt sich, dass Anwendungen für Endnutzer:innen mitunter daran scheitern, dass es weder eine vertrauenswürdige digitale Währung noch ein einfacher Nachweis digitaler Identität gibt. Erst wenn diese beiden Herausforderungen gelöst sind, lassen sich Anwendungen umsetzen, die über einen im Vorhinein eingeschränkten Kreis von Benutzer:innen hinausgehen.
Neben diesen infrastrukturellen Herausforderungen stellen sich weitere für die Weiterentwicklung der bestehenden Systeme: etwa das Anbinden an das bestehende Finanzsystem oder die Verknüpfung von verschiedenen Blockchain-Systemen. Unternehmen, die Blockchain-Lösungen implementieren möchten, und sei es für Pilotprojekte, haben oft Mühe mit der Komplexität solcher Anwendungen. Dies ist aber keine Blockchain-spezifische Herausforderung, sondern zeigt sich bei den meisten grossen Digitalisierungsprojekten.
Blockchain führt zu mehr (Daten-)Transparenz und kann damit nachhaltige Industrialisierung unterstützen, indem z. B. die Nachverfolgbarkeit in Lieferketten ermöglicht wird. Jüngst hat sich mit der Kombination aus Nachhaltigkeit und Blockchain ein eigenständiges Forschungsfeld etabliert.
Die Schweizer Blockchain-Szene ist schon heute stark. So gibt es in der Schweiz und Liechtenstein rund 1100 Start-ups mit mehr als 6000 Angestellten. Damit dies so bleibt oder die Position der Schweiz weiter ausgebaut werden kann, bedarf es an mindestens drei Erfolgsfaktoren: Verfügbarkeit von Talenten dank einer soliden Ausbildung an den hiesigen Hochschulen, ein gut funktionierendes Ökosystem aus Universitäten und Fachhochschulen wie auch etablierte Unternehmen und Start-ups. Zudem ist es nötig, dass ein flexibler regulatorischer und rechtlicher Rahmen existiert, der auch in einem sich verändernden technologischen Umwelt für Rechtssicherheit sorgt.