Bioplastik

Expert:innen: Tim Börner (HES-SO Valais-Wallis), Roger Marti (HES-SO Fribourg), Maria Stewart (Plastics Innovation Competence Center), Manfred Zinn (HES-SO Valais-Wallis)

Der Einsatz von Bioplastik stellt für die Nachhaltigkeit von Kunststoffprodukten eine grosse Chance dar. Die breite Anwendung wird aktuell von Regularien und den hohen Kosten sowie von der mangelnden technischen Umsetzung in Produkte gebremst, die vergleichbare Eigenschaften wie die etablierten Erzeugnisse bieten. Für die Schweiz hat die Entwicklung von Hightech- und Nischenprodukten grosses Potenzial, das mit zielgerichteter Förderung ausgereizt werden könnte. Um der Thematik Aufschwung zu verleihen, ist es unerlässlich, dass sich bei Firmen, Gesetzgebern und der Bevölkerung gleichermassen die Erkenntnis durchsetzt, dass Plastikabfall eine wertvolle Ressource ist und dass der gezielte Einsatz von Bioplastik eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft ermöglichen kann.

Bild: Brian Yurasits, Unsplash

Definition

Biokunststoffe, also Bioplastik, sind entweder biobasiert, biologisch abbaubar oder beides. Es gibt somit biobasierte Kunststoffe wie Bio-PET, die in der Umwelt nicht biologisch abbaubar sind. Diese biobasierten Kunststoffe, auch Drop-in-Bioplastik genannt, nutzen erneuerbare natürliche Ausgangsstoffe und fossile Rohstoffe in unterschiedlichen Anteilen als Kohlenstoffquelle und sind mit ihren fossilen Pendants chemisch und mechanisch identisch. Zu den erneuerbaren Ausgangsstoffen gehören Maisstärke, Rapsöl, Rohrzucker und Lignocellulose sowie in kleinem Massstab Abwasser und Abfallströme aus der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion und CO2. Biologisch abbaubarer Bioplastik kann ebenfalls aus biologischen und/oder fossilen Rohstoffen hergestellt werden. Einige wie Polymilchsäure (PLA) sind ganz biobasiert, andere wie Polybutylenadipat-terephthalat (PBAT) aus der Gruppe der Polyester vollständig fossil. Die biologische Abbaubarkeit dieser Kunststoffe hängt auch von den Umweltbedingungen ab.

Heutige und zukünftige Anwendungen

Bioplastik findet vielfältige Anwendung und wird im Automobilbau, in der Chemie, Elektronik und Landwirtschaft, für Verpackungen, in der Medizintechnik, bei Spielzeug und Textilien eingesetzt. Häufig liegt der Fokus auf biobasiert und nicht auf biologisch abbaubar. Die Produkte gelangen teilweise in den Kreislauf der fossilen Plastikerzeugnisse oder werden wegen fehlenden Wissens mit dem organischen Grünabfall entsorgt und nicht wiederverwertet.

Prinzipiell sind die zukünftigen Anwendungen unlimitiert – vorausgesetzt, es gibt ausreichende, optimalerweise nachhaltige Rohstoffe. So wird bereits heute in Italien aus Altöl, das in der Gastronomie anfällt, Bioplastik hergestellt. In Zukunft wird es essenziell sein, Bioplastik aus erneuerbaren Rohmaterialien herzustellen, welche nicht mit der Nahrungsmittelproduktion konkurrieren und nachweislich klimaschonend sind. Eine schier unendliche Quelle sind Algen; es fehlt aber noch das entsprechende Wissen und der nachhaltige Anbau in grossem Massstab. Ein erster Schritt könnte der Ersatz von kleinen Plastikteilen in technischen Geräten sein; da der Markt aber klein ist, sind die Bemühungen nicht sehr ambitioniert. Die weltweit jährlich benötigte Plastikmenge von momentan 450 Millionen Tonnen komplett mit Bioplastik zu ersetzen, ist für die nächsten Jahre ein unrealistisches Ziel.

Chancen und Herausforderungen

Der Hauptvorteil von Bioplastik ist, dass der Einsatz von fossilen Rohstoffen reduziert oder vermieden wird. Bioplastik senkt den Ressourcenverbrauch, hinterlässt im Allgemeinen einen kleineren Energie-Fussabdruck und verursacht weniger Emissionen als herkömmlicher Plastik. Bei bioabbaubaren Kunststoffen kann ausserdem die Umweltbelastung durch langlebige Mikro- und Nanopartikel massgeblich reduziert oder sogar verhindert werden. Doch auch bei Bioplastik stellt sich die Frage, ob er als zukünftiges Einwegmaterial für Lebensmittelverpackungen nachhaltiger als fossiler Plastik ist oder ob solche Anwendungen besser durch wiederverwertbare Verpackungen und Rückgabesysteme ersetzt werden sollten. Aktuell geht der Trend dahin, dass bioabbaubare Kunststoffe im Sinn der durchgängigen Kreislaufwirtschaft zusätzlich rezyklierbar sein sollten – ganz nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip, wobei die Kunststoff- und Abfallindustrie hier noch am Anfang steht. Drop-in-Bioplastik kann mit herkömmlichen Methoden rezykliert werden, es braucht jedoch – wie beim Plastikrecycling im Allgemeinen – getrennte und reine Stoffströme.

Müllsammlung und -sortierung ist daher ausschlaggebend. Es gibt mittlerweile gute technische Lösungen, um verschiedene Arten von Plastik zu erkennen und automatisch zu sortieren. Biologisch abbaubarer Plastik wird schon heute kompostiert; bei mechanischem oder chemischem Recycling besteht noch Entwicklungsbedarf. Allerdings ist die zu rezyklierende Menge an Bioplastik momentan zu klein, um zwei parallele Systeme und das Recycling konsequent und wirtschaftlich zu betreiben. Um höhere Kosten von neuen Materialien und Technologien zu kompensieren, kann eine Abfallgebühr Abhilfe schaffen. Der vermehrte Einsatz von rezykliertem Ausgangsmaterial kann gesetzlich gefördert werden, wie dies im europäischen Green Deal vorgeschlagen wird: Ein Mindestgehalt von Rezyklat in Verpackungen wird verbindlich festgelegt. Die Schweiz kann eine Vorreiterrolle übernehmen, indem sie das Prinzip der Kostenkompensierung strategisch ausbaut, wie dies die parlamentarische Initiative 20.433 «Schweizer Kreislaufwirtschaft stärken» anstrebt.

Die Forschung zu und die Kommerzialisierung von Bioplastik stecken in der Schweiz noch in den Kinderschuhen und bieten sowohl Hochschulen als auch Firmen gute Chancen für Projekte, Patente und neue Geschäftsmodelle. Grosse Hoffnung ruht auf der Verwendung von Bioplastik für Medizinalprodukte wie Stents und Herzklappen – wegen der Abbaubarkeit und der guten Verträglichkeit im Körper. Aber auch Anwendungen wie Verbund- und Klebstoffe oder Schuhe, bei denen die aktuell verwendeten Materialien das Recycling verunmöglichen, die einen relativ grossen CO2-Fussabdruck haben und zur Verschmutzung mit Mikroplastik beitragen, können von Bioplastik profitieren. Für Firmen ergeben sich rund um das Thema Nachhaltigkeit interessante Möglichkeiten: Die Verwendung von Bioplastik dürfte für die CO2-Bilanz von produzierenden Betrieben relevant werden. Und Banken können die Thematik in Anlagefonds abbilden. Die Massenkunststoffproduktion hat für die Schweiz bisher wenig Relevanz; bei Hightech- und Nischenprodukten jedoch bieten sich sowohl in Entwicklung als auch Anwendung gute Chancen.

Auf wirtschaftlicher Ebene verhindern die aktuell hohen Kosten für Bioplastik einen breiten Einsatz. Die Belastung für das Portemonnaie wird eine zentrale Rolle spielen. Weitere Faktoren, die die breite Markteinführung bremsen, sind die mangelnde Entwicklungsreife und die fehlende technische Umsetzung in Produkte, die vergleichbare Eigenschaften wie etablierte Produkte bieten. Ausgenommen ist Drop-in-Bioplastik. Regularien führen sowohl in der Schweiz als auch international dazu, dass die Auflagen für die Zulassung von Bioplastik höher sind als bei erdölbasierten Produkten. Aus wissenschaftlicher Sicht stellt vor allem die Skalierung der Syntheseprozesse und das Anpassen der Materialeigenschaften wie Farbe und Konsistenz an die individuellen Bedürfnisse eine Herausforderung dar. Die Thematik ist bei der Schweizer Bevölkerung noch nicht ausreichend angekommen, obwohl die Verschmutzung mit Mikroplastik in unseren Breitengraden in Böden und Gewässern klar detektierbar ist.

Förderung

Die Forschenden innerhalb der Schweiz sind kaum vernetzt und es fehlen an den Hochschulen die entsprechenden Studiengänge. Im EU-Raum bestehen Förder- und Netzwerkmöglichkeiten, die den Schweizer Forschenden wegen der Einstufung der Schweiz als nicht assoziierter Drittstaat faktisch verwehrt sind. Eine gezielte Förderung wäre wichtig, um den Schweizer Forschungsstandort in Bezug auf Bioplastik auszubilden. Hoffnung macht ein Bericht des Bundesrats vom 23. September 2022, den der Bundesrat in Erfüllung von vier Postulaten verfasst hat. Zudem könnte es sich lohnen, in anderen Ländern die Bedingungen zu studieren, die zu hoher Forschungsaktivität geführt haben.

Sinnvoll ausgestaltete Regularien sind hilfreich, da sie Firmen und die Bevölkerung animieren, sich neue Denk- und Verhaltensmuster anzueignen. Denkbar wären etwa Vorschriften in Bezug auf Ausgestaltung und Grösse von Plastikverpackungen sowie entsprechende Informationen zur Umweltbelastung, wie dies für Autos und Kühlschränke Standard ist.

Die Politik ist gut beraten, das Bewusstsein für den Wert von Rohstoffen und Plastikabfall bei der Bevölkerung zu stärken. Idealerweise setzt sich bald die Erkenntnis durch, dass Plastikabfall eine wertvolle Ressource ist.

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