Expert:innen: Urs von Arx (HHM – Hefti. Hess. Martignoni)
Building Information Modelling (BIM) bezeichnet die vollständige Digitalisierung von Gebäudeplanung, -bau und -betrieb. Konsequent entlang der gesamten Wertschöpfungskette eingesetzt, sollte Building Information Modelling zu erhöhter Effizienz, zu Kosteneinsparungen sowie verbesserter Qualität und Nachhaltigkeit, aber auch zu einer tieferen Fehlerquote in der Baubranche führen. Für die Wirtschaft bietet die Methode die Chance auf höhere Margen und verkürzte Bauzeiten. Noch fehlen aber Investitionen in eine jederzeit aktuelle, für alle Akteur:innen einsehbare Datenbank und Anstrengungen auf politischer Ebene, um BIM für alle Projekte optimal nutzbar zu machen.
Bild: Implenia
Building Information Modelling (BIM) ist eine Methodik für die vernetzte und digitalisierte Planung von Bauwerken, welche auch den Bau selbst, seine Bewirtschaftung und einen allfälligen späteren Rückbau umfasst. Sie wird nicht nur im Hoch- und Tiefbau, sondern auch bei der Infrastruktur- sowie bei der Grün- und Landschaftsplanung eingesetzt. Dabei wird das Bauwerk geometrisch als 3D-Modell visualisiert, was einen durchgängigen Informationsfluss bedingt: Alle Akteur:innen entlang der gesamten Wertschöpfungskette müssen zusammenarbeiten und alle Parameter wie Kosten, Materialien, Mengen, Nachhaltigkeitsdaten und Simulationen vollständig erfassen. Die digitalen Bauwerksmodelle stellen eine Informationsdatenbank für das Bauwerk oder das Gelände dar und sind eine verlässliche Quelle für Entscheidungen während des ganzen Lebenszyklus des Bauwerks – von der Planung bis zum Rückbau.
Vor fünf Jahren gab es viele Pilotprojekte zu BIM. Trotzdem nutzen heute (Stand 2022) erst geschätzte 10–20 Prozent aller im Bau aktiven Unternehmen die Methodik stark. Sie kommt vor allem bei komplexen Hochbauprojekten wie Hochhäusern, Spitälern und Stadien durchgängig zur Anwendung. Ihr Einsatz ist beispielsweise bei SBB-Projekten ab 5 Millionen Schweizer Franken im Hochbau seit 2021 obligatorisch. Ab 2025 soll dies auch bei Infrastrukturprojekten inklusive Tiefbau der Fall sein, was durch das Bundesamt für Strassen (ASTRA) und die SBB forciert wird. In den letzten Jahren hat buildingSMART International (bSI), eine internationale nicht staatliche Non-Profit-Organisation, einen Service entwickelt, welcher BIM-Anwendungsfälle sammelt und offen zur Verfügung stellt. Was allerdings fehlt, ist die Beschreibung der dahinterliegenden Prozesse: Showcases allein befähigen nicht zur Anwendung der Methodik. Auch wenn es zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten entlang der gesamten Wertschöpfungskette gibt, welche Digitalisierung und Automatisierung in der Baubranche fördern könnten, ist die Akzeptanz bei den Akteur:innen noch nicht sehr gross.
BIM kann das volle Potenzial nur entfalten, wenn der Informationsfluss zwischen allen Akteur:innen entlang der Wertschöpfungskette sichergestellt ist und die Informationen standardisiert sowie maschinenlesbar sind. Dann winken erhöhte Effizienz, Kostentransparenz und -ersparnis, höhere Margen und verkürzte Bauzeiten sowie verbesserte Qualität und Nachhaltigkeit, aber auch eine tiefere Fehlerquote in der Baubranche. Davon kann auch die Gesellschaft profitieren. Zudem könnte BIM einen Anreiz schaffen, höhere Beträge in die Forschung und Entwicklung (F&E) zu investieren, was allerdings in einer wenig forschungsaffinen Branche schwierig sein dürfte. Dank einer durchgängigen Digitalisierung wäre nicht jeder entstehende Neubau ein Prototyp, sondern eine Datenquelle, deren Nutzung zu einer Steigerung der Wertschöpfung führt.
Das Bauwesen ist in der Schweiz stark fragmentiert und die zahlreichen Akteur:innen entlang der Wertschöpfungskette agieren in Silos: In klassischen Planungs- und Bauprozessen wird zuerst bestimmt, was geplant wird, danach wird die Frage geklärt, wie das Geplante realisiert wird, und erst zum Schluss wird festgelegt, wer das projektierte Werk realisiert. Das Know-how der ausführenden Unternehmen fliesst erst spät in den Prozess ein und kann ohne grössere Projektanpassungen kaum mehr berücksichtigt werden. Integrated Project Delivery (IPD) oder integrierte Projektabwicklung könnte eine Lösung darstellen und BIM muss Teil dieser umfassenden Lösung sein. IPD ist ein kollaboratives Bauprojektverfahren, bei dem alle relevanten Faktoren wie Menschen, Systeme, Strukturen und Prozesse von Anfang an miteinbezogen werden: Alle Teilnehmenden verfügen über alle Informationen und arbeiten gemeinsam an der Erreichung des Gesamtziels. IPD bezieht sich auf die Methodik, BIM ist Teil davon und ein essenzielles Werkzeug für die Datenerhebung und -handhabung. IPD – und damit auch BIM – steht für einen Kulturwandel, um die Fragmentierung und das Silodenken zwischen Planungs- und Realisierungsprozessen zu überwinden. Dazu muss aber in der konservativen Baubranche ein Mentalitätswandel stattfinden. Ebenso notwendig ist es, dass die Bildungslandschaft neue Studiengänge anbietet und dem Wandel gegenüber offen ist.
Eine nationale Herausforderung ist, dass quasi alle Akteur:innen über eigene Datenformate, Standards und Umsetzungswerkzeuge verfügen. Einerseits geht so bei der Kommunikation zwischen den Akteur:innen Information verloren und andererseits erschwert es den Planer:innen die Arbeit und die Ausbildung ihrer Mitarbeitenden. In Bezug auf Datenformate und -standards ist die Schweiz gut beraten, sich aktiv in die internationalen Entwicklungen einzubringen und sich auf europäischer Ebene besser abzugleichen. Der Föderalismus mit uneinheitlichen Regelungen wirkt hier eher als Bremsklotz denn als Bereicherung.
In der Schweiz existiert kein Förderinstrument für einen ganzheitlichen, die ganze Branche umfassenden Ansatz. Zudem sind die Chancen von Schweizer Forschenden, an den hoch dotierten europäischen Ausschreibungen erfolgreich teilzuhaben, wegen der Einstufung als nicht assoziierter Drittstaat klein. Das Bauwesen hat ausserdem keine ausgeprägte politische Lobby, was dazu führte, dass sie in der Strategie «Digitale Schweiz» nicht erwähnt wird und nach Interventionen erst in einer nächsten Ausgabe aufgenommen wird. Es braucht ein klares Commitment auf politischer Ebene. Die Gesetzgebung sollte ebenfalls angepasst werden. Zugleich darf nicht vergessen werden, dass bei einer cloudbasierten Arbeitsweise, wie sie für BIM unabdingbar ist, das Thema Cybersecurity ganz oben auf die Prioritätenliste gehört.