Vogelnester inspirieren und regen die Fantasie an. So haben Architekt:innen deren Design bereits erfolgreich imitiert, wie das Beispiel des Olympiastadions in Beijing zeigt. Nicht aber die Methodik des Nestbaus. Können Drohnen die Vögel beim Bau und bei späteren Reparaturen des Nests nachahmen?
Bild: Yusuf Furlan Kaya, Imperial College London und Empa
Diese Idee liess Mirko Kovač nicht mehr los. Kovač ist Professor am Imperial College in London und Head Laboratory of Sustainability Robotics an der Empa in Dübendorf. Begeistert zeigt er die Räumlichkeiten seiner Gruppe an der Empa: Gymnastikmatten am Boden, ein Rotorblatt einer Windturbine, Brückenelemente und Tunnelröhren, umgeben von einem Gitter. Was auf den ersten Blick wie ein grosser Spielplatz aussieht, ist eine Flugarena für Drohnen. Diese sollen dereinst Infrastrukturen wie Brücken, Industriekamine und Tunnels inspizieren, Schäden entdecken und mittels 3D-Druck auch gleich reparieren.
Die Geschichte beginnt 2016 am Imperial College in London. Mirko Kovač, der an der ETH Zürich Maschinenbau studierte und an der EPFL in Robotik doktorierte, schliesst sich mit Wissenschaftler:innen aus der Architektur, der Informatik und den Materialwissenschaften zusammen, um die Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Betont sagt er: «Von Beginn weg war der Aspekt der Multidisziplinarität zentral.» In den darauffolgenden Jahren gelang es dem Team, aus der Luft eine zylindrische Struktur mit 27 Schichten additiv – also mit 3D-Druck – aus Beton zu fertigen. Dies mit einer Drohne, die im Durchmesser einen Meter misst, mehrere Kilogramm schwer ist und annähernd das halbe Eigengewicht an Beton in einem Tank mitführen kann. Der flüssige Beton wird unter grosser Kraft aus der Drohne gepresst und in Schichten auf dem zu bauenden Objekt abgelagert. Die Hauptschwierigkeiten sind die sich ändernden Umweltbedingungen im Freien und die inhärente Ungenauigkeit der fliegenden Drucker. Dem wird mit einer zweiten Drohne, einer Scan-Drohne, entgegengewirkt: Sie vermisst das gebaute Teil und den Fortschritt, gibt konstant Rückmeldungen an die Druckerdrohne und optimiert so den Bauprozess. Ein solches Drohnenduo erlaubt den Bau komplexer und fragiler Strukturen in grosser Höhe, aber auch Reparaturen an Objekten wie Windturbinen, die für Arbeiter:innen nur unter Risiko zu erreichen sind.
Für eine Weiterentwicklung diente Mirko Kovač erneut die Natur als Inspiration. Genauer gesagt: Ameisen, die im Kollektiv ein Nest bauen. Ihm schwebte ein Drohnenschwarm vor, der für den 3D-Druck einer Struktur zusammenarbeitet. Die Vorteile liegen auf der Hand: Optimierung der Flugwege, höhere Bauleistung pro Batterieladung und geringerer Verbrauch von Baumaterialien. Damit das Konzept aber funktionieren kann, muss eine Drohne in der Lage sein, an irgendeinem Ort des entstehenden Objekts zu drucken. Sie muss wie die Ameisen über ein Standardset von Handlungsoptionen verfügen, die den Weiterbau ermöglichen, ohne das grosse Ganze zu kennen. Der Machbarkeitsnachweis ist geglückt und es wurde eine Plattform geschaffen, die vielseitig einsetzbar ist. Denkbar sind in Zukunft eigentliche Roboterökosysteme im Bau, die nebst Drohnen auch klassische Roboter und 3D-Drucker umfassen – nicht um Menschen zu ersetzen, sondern um sie dort zu entlasten, wo es gefährlich ist. Mirko Kovač betont immer wieder: «Drohnen, die wie künstliche Lebewesen sind, unterstützen die Nachhaltigkeit im Bau und werden die Welt langfristig zu einem besseren und sichereren Ort machen.»
Wer weiss, vielleicht bauen Mirko Kovač Drohnen bald an unwirtlichen Orten wie der Antarktis oder auf dem Mars? Entsprechende Projekte stehen in den Startlöchern.
Umfassende und weiterführende Informationen zum Thema finden sich im Beitrag 3D-Druck von Bauteilen aus Beton.