Wie von Zauberhand entstehen im Bauraum des Schoggidruckers an der Ostschweizer Fachhochschule Objekte mit komplizierten Geometrien oder handschriftlich anmutende Schriftzüge. Kommt die Schokolade der Zukunft aus dem 3D-Drucker?
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Schauplatz Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung der Ostschweizer Fachhochschule in Rapperswil-Jona in St. Gallen: In einem gleichmässigen Strom fliesst dunkle Premium-Schokolade aus einem Druckkopf; es entstehen komplexe, dreidimensionale Formen und verspielte Schriftzüge. Was 2017 als Idee in einem Strategiemeeting des Instituts begann, mündete nur ein Jahr später in den Bau des Chocoformer I, dem Prototypen des heutigen, 80 Kilogramm schweren Druckers. «Der 3D-Druck – in der Fachsprache additive Fertigung genannt – wird zu einem Türöffner für ein etabliertes Schweizer Traditionsprodukt», sagt der stellvertretende Institutsleiter Prof. Daniel Schwendemann überzeugt.
Fiktiver Schauplatz in der Zukunft – ein Souvenirgeschäft in Zermatt: Tourist:innen stehen Schlange, um die soeben gekaufte Schokolade mit einem Gruss in ihrer eigenen Handschrift oder dem Matterhorn verzieren zu lassen. Möglich macht dies eine von Informatikstudierenden der Ostschweizer Fachhochschule entwickelte App zur Erfassung des Designs und der Chocoformer: In wenigen Schritten kann die Kundschaft etwas zeichnen oder schreiben, das direkt vor Ort und unter ihren Augen auf das Souvenir gedruckt wird. Einzigartig im Vergleich zu anderen Verfahren ist, dass Premium-Schoggi aller Couleur und nicht bloss eine kakaohaltige Fettmasse gedruckt wird. Das führt aber auch zu technischen Herausforderungen: Das höchst temperaturempfindliche Rohmaterial muss im Druckkopf flüssig gehalten werden, um überhaupt druckbar zu sein; im Bauraum jedoch muss die Temperatur so tief sein, dass die Schokolade erstarrt, bevor sie die angestrebte Form verliert. Unterstützend wirken dabei der gekühlte Bauraum und der Abstand zwischen Druckkopf und Objekt, die je nach Objektgrösse und Schokoladensorte unterschiedlich eingestellt werden.
Schauplatz Berufsmesse Zürich in Oerlikon: Unter den Augen von faszinierten Besucher:innen entstehen Gebilde aus Schokolade – sei dies eine Getränkeflasche, eine Vase, eine Kakaobohne in Übergrösse oder ein Infinity Cube. Der 3D-Drucker schafft, woran Gussformen scheitern. Was wie eine Spielerei anmutet, hat einen ernsthaften Hintergrund und erfüllt die ursprüngliche Vision des Projekts. Der Schoggidrucker soll die Vielfältigkeit des Maschinenbaus zeigen und illustrieren, wie viele Studienrichtungen und Berufe hinter dem Produkt stehen. Projektleiter Patrick Fässler, der einst als Teenager selbst in einer Schokoladenfirma arbeitete, äussert sich stolz: «Mit diesem Produkt können junge Menschen für ein technisches Studium begeistert werden.» Exemplarisch hat der Chocoformer für die SwissSkills 2022 die Pokale für die MINT-Lehrgänge gedruckt.
Die Schokoladenindustrie sucht nach attraktiven Nischen und Alleinstellungsmerkmalen. Und genau da könnte der Schoggidrucker der Ostschweizer Fachhochschule Abhilfe schaffen, obwohl die Kommerzialisierung ursprünglich nicht angedacht war. Reaktionen aus dem Ausland, vor allem aus Ländern ohne Chocolatier-Kultur, lassen darauf schliessen, dass der Markt vorhanden ist: Eine Schweizer Maschine, die mit Schweizer Präzision ein typisch schweizerisches Produkt verarbeitet und veredelt, kann nicht nur in Souvenirgeschäften in der Schweiz zu stehen kommen, sondern auch in ausgewählten Geschäften in Dubai, Seoul, Sydney und Tokyo.
Umfassende und weiterführende Informationen zum Thema finden sich im Beitrag 3D-Druck von Lebensmitteln.