Expert:innen: Adriaan Spierings (Inspire)
Die additive Fertigung, auch bekannt als Additive Manufacturing (AM) oder 3D-Druck, hat nach mehr als 30 Jahren Forschung und Entwicklung viele industrielle Anwendungsfelder erschlossen. Unterdessen betrachtet die Industrie viele additive Fertigungstechnologien als taugliche Produktionsverfahren. So sind auf Anwendungsseite sehr gute Business Cases entstanden, die den Stand der Technik in den jeweiligen Sektoren neu definiert und die Grenzen durch innovative Lösungen verschoben haben.
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Innovative Beispiele sind Temperierlösungen für Werkzeuge zur optimalen Temperaturführung in der Produktion und zur Vermeidung von Hot Spots, die Fertigung strömungsoptimierter Ventile mit integrierter Sensorik sowie der Einsatz in der Produktion von komplexen Bauteilen in der Maschinenbauindustrie wie zum Beispiel Turbinenkomponenten. Der technische Reifegrad ist unterdessen hoch und die additive Fertigung wird vermehrt auch in der Medizintechnik eingesetzt, wo patienten- und anwendungsspezifische Implantate und Instrumente realisiert werden. Das Spektrum der möglichen Anwendungen wird zusätzlich noch vergrössert, da diese nicht mehr zwingend in eine Schuhschachtel passen müssen, sondern zum Teil bereits den Metermassstab erreichen können.
Eine Tatsache darf allerdings nicht in Vergessenheit geraten. Obwohl additive Verfahren allgemein immer bekannter werden und zunehmend Eingang in industrielle Bereiche finden, besteht nach wie vor ein grosser Entwicklungsbedarf entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Dieser umfasst unter anderem die Entwicklung geeigneter Materialien und optimierte Prozesse für spezifische Anwendungen. Dazu kommt – quasi als Klammer um die ganze Wertschöpfungskette – eine hohe Notwendigkeit für effektive Massnahmen und Werkzeuge zur Qualitätssicherung.
Die industrielle Bedeutung der additiven Fertigung kann jedoch vor allem dann weiter gesteigert werden, wenn die vorhandenen Verfahren weiterentwickelt werden und neue Verfahren auf den Markt kommen. Die Schweiz ist hervorragend aufgestellt, hier massgeblich eine Rolle zu spielen, verfügt sie doch über ein stark ausgebildetes Ökosystem aus Forschungs-, Industrie- und Anwendungspartner:innen, welche das Potenzial haben, die Grenzen in den jeweiligen Verfahren zu verschieben. Ein wichtiges Thema ist die Senkung der Produktionskosten pro Volumeneinheit, was nicht nur die Produktivität positiv beeinflusst, sondern auch der Automatisierung von Prozessketten einen Schub verleihen dürfte. Darüber hinaus bergen neue, fortschrittliche Materialien und Materialsysteme ein hohes Innovationspotential. In vielen Schweizer Industrieklassen spielen Präzision und die Beschaffenheit von Oberflächen eine grosse Rolle. Allerdings sind entsprechende additive Verfahren, die diesen Aspekten Rechnung tragen, bislang wenig entwickelt. Demnach gilt auch hier: Innovative Lösungen sind gesucht, um die Grenzen des Machbaren weiter zu verschieben, was der Schweizer Wirtschaft neue Hebel im internationalen Wettbewerb geben wird.