4D-Druck

Expert:innen: Christian Leinenbach (Empa), Marius Wagner (ETH Zürich)

4D-Druck ist eine Technologie, die für viele Bereiche ein Gamechanger werden könnte, aktuell aber noch in den Kinderschuhen steckt. Da die industrielle Umsetzung noch in ferner Zukunft liegt, ist unklar, wie gross das Potenzial für die Schweizer Wirtschaft sein wird.

Bild: ETH Zürich

Definition

Der 4D-Druck ist ein Teilgebiet der additiven Fertigung. Wie in der additiven Fertigung werden so erstellte Objekte ebenfalls Schicht für Schicht aufgebaut, verändern aber nach dem Druck im Laufe der Zeit ihre Form. Ermöglicht wird dies durch aktive Materialien (s. Beitrag Erdbebenschutz in vier Dimensionen), die sich gezielt und gewünscht verformen, wenn sie einem magnetischen oder elektrischen Feld oder einem Stimulus wie Wärme, Licht oder Wasser ausgesetzt werden.

Damit ist 4D-Druck ein Sammelbegriff für Materialien mit spezifischen Eigenschaften in Verbindung mit additiver Fertigung. Allerdings wäre es präziser, anstelle von 4D-Druck den Begriff «additive Fertigung mit aktiven Materialien» zu verwenden. 4D-Druck umfasst zahlreiche Disziplinen, welche von Chemie und Materialwissenschaften über die klassischen Ingenieurdisziplinen bis hin zu Architektur und Design reichen.

Chancen

Die Kombination von aktiven Materialien und additiver Fertigung erlaubt die Herstellung von bahnbrechend neuen Strukturen, da genau definiert werden kann, wo welches Material mit welcher Eigenschaft eingesetzt wird. Davon profitieren zum Beispiel Entwicklungen im Bereich der Metamaterialien, d. h. künstlich hergestellte Werkstoffe wie Tarnkappen für Kampfflugzeuge mit optischen, elektrischen oder magnetischen Eigenschaften, die in der Natur nicht vorkommen. Dank vielfältigen Geometrien und Materialien kann 4D-Druck in unterschiedlichen Bereichen zu einem Gamechanger werden. So können additiv gefertigte, aktive Strukturen im Bauwesen als Fassadenelemente verwendet werden, die sich der Witterung anpassen. Denkbar ist für den Bau auch die Herstellung von bistabilen Schalungsformen aus Kompositmaterialien, die in zwei Zuständen stabil sind. Dies sind Werkstoffe aus zwei oder mehr verbundenen Materialien, die in der Kombination andere Werkstoffeigenschaften besitzen als die einzelnen Komponenten. Solche Schalungsformen könnten effizient mit 4D-Druck hergestellt werden.

Im Energiesektor erlaubt 4D-Druck die Fertigung von Gelenken für Solarzellen, die sich optimal nach der Sonneneinstrahlung ausrichten. In der Luft- und Raumfahrt ergeben sich Anwendungen wie witterungsbedingte Leistungsoptimierung dank 4D-gedruckter Flügel. Denkbar sind auch zusammengeklappte Strukturen, die sich erst im Weltall entfalten. 4D-gedruckte Stents können dank der additiven Fertigung an die Patient:innen angepasst und in einer komprimierten Form in Gefässe eingeführt werden, wo sie sich zu ihrer Endform entfalten.

Das Potenzial des 4D-Drucks ist gross, verspricht er doch zahlreiche Vorteile im Vergleich zur klassischen Fertigung: Einbau von aktiven Materialien in komplexe Strukturen, Miniaturisierung und damit verbunden eine verbesserte Ressourceneffizienz. Allerdings stehen erst biomedizinische Anwendungen vor der Produktreife. Für die meisten anderen Anwendungen braucht es Entwicklungen im Bereich der Materialien, um die Umsetzung in Produkte voranzutreiben. In der Industrie besteht Interesse und Investitionsbereitschaft, allerdings ist der Zeitpunkt noch nicht reif für industrielle Umsetzungen. Momentan ist auch nicht klar, wie gross das Potenzial für die Schweizer Wirtschaft sein wird. Die Schweiz ist auf dem Gebiet der Material- und Prozessentwicklung sowie bei den biomedizinischen Anwendungen gut aufgestellt, um aus den Möglichkeiten echte Chancen zu machen.

Herausforderungen

Risiken finden sich vor allem bei der Materialentwicklung. Heutige Studien umfassen erst Konzepte; Aspekte der Skalierbarkeit und Zuverlässigkeit der Materialien fehlen noch weitgehend. Zudem funktioniert das Verfahren erst im Labor im Kleinmassstab und kann noch nicht skaliert werden: Es bleibt zu zeigen, ob die grossen Visionen erreichbar sind. Erschwerend kommt dazu, dass die Zertifizierungsanforderungen für die neuartigen Materialien ein regulatorisches Hemmnis darstellen, das vor allem Anwendungen in Biomedizin und Luftfahrt betrifft. Gesellschaftliche Hindernisse wie Akzeptanzprobleme sind nicht zu erwarten.

Auf technischer Ebene gibt es grosse Herausforderungen bei den Prozessen und bei der Materialentwicklung. Idealerweise könnte man Kunststoffe, Metalle und weitere Materialien zusammen in einem Prozessschritt drucken. Wegen der unterschiedlichen Materialeigenschaften ist dies noch nicht möglich: Beispielsweise verbrennen Kunststoffe, wenn Materialien wie Metalle gerade erst schmelzen. Zudem sind die Eigenschaften aktiver Materialien nicht ideal für den Druck geeignet; Festigkeit, Beständigkeit, Langlebigkeit und strukturelle Effizienz sind Themen, die noch zu lösen sind. Nötig sind nicht nur Materialentwicklungen, sondern auch Prozessneuerungen und -optimierungen. Der Forschungsbedarf ist entsprechend gross.

Kein Anwendungsgebiet für KMU

Das Verfahren ist noch nicht weit genug entwickelt, um für KMU von Interesse zu sein. Die Aktivitäten sind mehrheitlich auf die akademische Forschung beschränkt und es gibt keine Firmen, die entsprechende Dienstleistungen oder Services anbieten.

Ein konkretes Anwendungsbeispiel findet sich im Beitrag Erdbebenschutz in vier Dimensionen.

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