Expert:innen: Johannes Burkard (ETH Zürich)
3D-gedruckte Lebensmittel werden bereits verkauft und in Restaurants angeboten. Die Kombination aus 3D-Druck und Lebensmitteln ermöglicht nicht nur die Umsetzung von komplexen Formen für Dekorationszwecke, sondern auch Rezepte, die sich an spezielle Nahrungsbedürfnisse anpassen lassen. Die Technologie ist zudem ein Hoffnungsträger für die Verwertung von hochwertigen Abfällen aus der klassischen Lebensmittelproduktion. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt besitzt der 3D-Lebensmitteldruck noch eine geringe Relevanz für die Massenproduktion.
Die Verfahren des 3D-Drucks sind längst nicht mehr auf Kunststoffe beschränkt; auch Lebensmittel werden zunehmend schichtweise, also additiv, gefertigt. Meist presst dabei der Drucker eine pastenartige Vorstufe eines Lebensmittels durch eine Düse, die dreidimensional bewegt werden kann. Die Prozessschritte sind die gleichen wie beim industriellen 3D-Druck: vom digitalen 3D-Modell über den schichtweisen Aufbau bis hin zum fertigen Objekt.
Die sehr unterschiedlichen Materialeigenschaften der Lebensmittel sind für den 3D-Druck eine grosse Herausforderung. Materialien wie Schokolade, Kartoffelstock oder Käse werden als nativ druckbar bezeichnet, da diese im Gegensatz zu Fleisch oder Broccoli ohne Aufbereitungsprozesse als Druckmasse genutzt werden können. Eine weitere Klasse umfasst neuartige Lebensmittel, die Derivate aus Bakterien, Insekten oder Pilzen nutzen, um schmackhafte Produkte herzustellen.
Heutige kommerzielle Anwendungen nutzen die Technologie oft für dekorative Zwecke. Dazu gehören der Druck von temperierter Schokolade zu essbaren 3D-Objekten oder das kontrollierte Aufschmelzen und Erstarren von Zucker zu komplexen und filigranen Formen. Inspiriert vom Konzept des Flat Packaging, wie es IKEA mit den Möbelverpackungen prägt(e), wurden Teigwaren in kompakten zweidimensionalen Anordnungen produziert, die sich erst im siedenden Wasser zur gewünschten 3D-Form entfalteten. Ein Vorgehen, mit dem sich wie bei den IKEA-Möbelverpackungen Transportkosten sparen lassen. Ausserdem hat Barilla einen 3D-Drucker entwickelt, mit dem Küchenchefinnen und -chefs wie auch Food-Künstler:innen personalisierte Pastaformen herstellen können. Erste Firmen, vor allem in Israel, experimentieren auch mit dem Druck von Fisch- und Fleischanaloga. Zudem gibt es Pilotstudien, die zum Ziel haben, für Kinder Lebensmittel – vor allem Früchte und Gemüse – so zu drucken, dass diese optisch und in der Textur attraktiv sind. So kann beispielsweise aus mehreren Gemüsesorten ein farbenfroher Schmetterling auf den Teller gezaubert werden.
In Zukunft soll der Aspekt der Personalisierung vermehrt im Vordergrund stehen. Lebensmittel werden mittels 3D-Druck in Bezug auf Geschmack und Konsistenz so aufbereitet, dass aus dem gleichen Rohstoff eine Vielfalt an Produkten entsteht, die an die Bedürfnissen verschiedener Bevölkerungsgruppen angepasst sind. Davon profitieren unter anderem Spitäler und Gesundheitszentren. Dies kommt nicht nur Betagten, sondern auch Patient:innen mit medizinisch bedingten Schluckproblemen zugute. Die Grundlagenforschung geht auch der Frage nach, wie der Fett-, Salz- und Zuckergehalt von Lebensmitteln ohne sensorische Einbussen reduziert werden kann. Mithilfe des 3D-Drucks kann die Wahrnehmung gezielt manipuliert werden, sodass neuartige zuckerreduzierte Formulierungen gleichermassen wahrgenommen werden.
Bei der Lebensmittelproduktion entsteht hochwertiger Abfall, der mithilfe von 3D-Druck zu konsumfertigen, neuen und geschmacklich attraktiven Produkten aufbereitet werden kann. Erste Versuche nutzen das aus Fischabfall stammende Surimi, um daraus nebst imitierten Krabbenstücken auch neue essbare Formulierungen und Formen zu drucken. Diese Reststromvalorisierung kann dazu beitragen, die Bilanz der CO2-intensiven Lebensmittelindustrie zu verbessern und die Verpflegung im All einfacher zu gestalten: Menschlicher Kot und Urin können in Zukunft in einem zyklischen Prozess etwa als Nährmedium für Algen oder Wasserlinsen dienen, die dank des 3D-Drucks zu einer hochwertigen Nahrungsquelle für die Astronaut:innen werden und Langzeitmissionen ermöglichen. Deshalb fördert die NASA Innovationen im Bereich des 3D-Drucks von Lebensmitteln für Langzeitmissionen, um Nährstoffversorgungssicherheit zu gewährleisten und eine Vielzahl von Lebensmitteln aus lagerbeständigen Zutaten bereitzustellen sowie gleichzeitig den Zeitaufwand für die Besatzung und den Abfall zu minimieren.
Das Interesse am 3D-Druck von Lebensmitteln ist gross und die industrielle Entwicklung ist geprägt von Start-ups, auch wenn einige Grossunternehmen auf dem Gebiet tätig sind. Die Firmen experimentieren mit der Technologie, sind auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern sowie Alleinstellungsmerkmalen und sehen in der Technologie eine Chance, mit innovativen Produkten die Aufmerksamkeit potenzieller Kund:innen zu gewinnen.
Die unterschiedlichen chemischen und physikalischen Eigenschaften der Lebensmittel führen dazu, dass nicht alle Nahrungsmittel in ihrem nativen Zustand für den 3D-Druck geeignet sind. Ausserdem müssen sie in den weiteren Verarbeitungsschritten wie Kochen und Backen Form und Aussehen bewahren und sowohl in Bezug auf ihre Inhaltsstoffe als auch auf ihre Konsistenz hochwertig bleiben. Es ist deshalb wichtig, die Komplexität und die Eigenschaften der Technologien durch Forschung besser zu verstehen, damit sie optimal genutzt werden können. Dazu gehört auch ein Verständnis für das Zusammenspiel zwischen Druckbarkeit, Einsatzmöglichkeiten und Nachprozessierung. Zudem braucht es, wie bei allen Anwendungen der additiven Fertigung, ein Abwägen zwischen Fertigungszeit und Druckqualität, was den Durchsatz und den Preis bestimmt.
Die Natur dient bei den Versuchen, mit 3D-Druck Fleischanaloga herzustellen und die typische faserige Struktur der Muskulatur nachzubauen, als Vorbild. Dies ist aber vor allem bei rotem Fleisch eine Herausforderung. Obwohl es bereits erste Start-ups gibt, die aus Proteinen, Fett und Blut Steaks drucken, sind weitere Entwicklungen notwendig, um die komplexe Faserung mit additiver Fertigung nachzubilden. Nur dann kann das gedruckte Steak geschmacklich mit dem Original mithalten.
Da Essen eine stark soziokulturelle Komponente hat, hängt der Erfolg dieser Technologie auch von der Akzeptanz bei den Konsument:innen ab. In der Vergangenheit hat sich hierbei eine gewisse Abneigung gegenüber neuartigen Produkten gezeigt: Je kleiner die industriell-technologische Verarbeitung, desto höher die Wertschätzung bei der Kundschaft.
Die Technologie bietet eine Vielzahl an Chancen, die von der Personalisierung im Gesundheitswesen über das Erschaffen neuartiger Strukturen bei Lebensmitteln hin zu der Nachbildung von Fisch und Fleisch reichen. Der technologische Reifegrad und die Skepsis bei den Konsument:innen – und somit auch der fehlende ökonomische Anreiz – sind aber Gründe, weshalb der 3D-Druck von Lebensmitteln momentan vor allem in der Forschung und in Start-ups zum Einsatz kommt. In Kombination mit künstlicher Intelligenz dürfte es aber in naher Zukunft gelingen, die technischen Hürden zu überwinden. Dann kann der 3D-Druck von Lebensmitteln auch in KMU eingesetzt werden, um neue Produktklassen zu schaffen, die Flexibilität in der Produktion zu erhöhen und den Konsum zu verändern.
Ein konkretes Anwendungsbeispiel findet sich im Beitrag Schoggi aus dem Drucker.