Expert:innen: Philippe Block (ETH Zürich), Benjamin Dillenburger (ETH Zürich), Moslem Shahverdi (Empa)
3D-Druck von Bauteilen und ganzen Gebäuden kann im Bauwesen die überfällige Disruption bringen und revolutionieren, wie in Zukunft nachhaltig gebaut wird. Dank der fortschrittlichen Rahmenbedingungen, international kompetitiven Forschungsgruppen und Marktführern im Bereich der Materialentwicklung kann die Schweiz eine Vorreiterrolle übernehmen.
3D-Druck ist nicht mehr auf kleine Teile beschränkt, werden doch zunehmend auch grosse Bauteile additiv gefertigt und miteinander verbunden. So wurde die Technologie in China, Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten bereits erfolgreich eingesetzt, um ein- und zweistöckige Gebäude zu drucken, und in der Schweiz für den Druck der Striatus-Fussgängerbrücke, die in Venedig steht. Geeignet ist der 3D-Druck auch für die Fertigung von komplexen Fassadenelementen, Treppen und Einrichtungsgegenständen. Neuerdings werden auch vermehrt grosse, komplexe Schalungsformen aus Kunststoff additiv gefertigt. 3D-Druck von grossen Bauteilen umfasst verschiedene Verfahren, in denen Materialien extrudiert oder in einem Pulverbett schichtweise aufgetragen werden. Je nach Material können diese Schichten durch chemische oder thermische Prozesse verbunden werden.
Additive Verfahren bieten für die Fertigung von grossen Bauteilen im Vergleich zu klassischen Verfahren verschiedene Vorteile. Die Grundidee ist einfach: Schneller, effizienter und mit weniger Arbeitskräften bauen – in Zeiten des Fachkräftemangels ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Bei komplexen oder nichttragenden Strukturen wird Material nur dort „verbaut“, wo es auch effektiv benötigt wird, da Hohlräume einfacher herzustellen sind. Somit werden der Materialverbrauch und die graue Energie reduziert. Entwicklungen im Baubereich ermöglichen seit Kurzem den Einsatz von recyceltem statt emissionsintensivem, hochfestem Beton, was sich positiv auf die Nachhaltigkeit von Gebäuden auswirkt. Momentan ist dies allerdings nur für kleine Wände und gewölbte Strukturen möglich, die ohne Armierungseisen auskommen. Additiv gefertigte Bauteile können zudem dort hergestellt werden, wo sie eingesetzt werden. Dadurch werden Transportwege gespart und die Logistik reduziert, was die Nachhaltigkeit verbessert. Der 3D-Druck von grossen Bauteilen ist billig und relativ einfach: Er kann also weltweit und dezentral stattfinden und stellt für schnell realisierbare Bauprojekte in Entwicklungsländern eine grosse Chance dar.
In Zukunft soll der 3D-Druck beim Bau von Gebäuden und Brücken verstärkt eingesetzt werden, um Gewicht und Material einzusparen. So hat sich Dubai für das Jahr 2030 das Ziel gesetzt, 25 Prozent aller Neubauten zu drucken. Auch hat die Technologie das Potenzial, für den Gebäudebau an unwirtlichen Orten wie in Eisregionen oder im Weltall zum Gamechanger zu werden, da sie Menschen dort entlasten kann, wo es gefährlich ist (s. Beitrag Teamwork in der Luft).
Wegen ihrer progressiven und innovationsfreundlichen Bauordnung ist die Schweiz optimal aufgestellt, im Baubereich international eine Führerrolle einzunehmen. Dem steht die eher konservative Baubranche gegenüber. Chancen bieten sich sowohl für die akademische Forschung als auch für die Industrie. Der Nationale Forschungsschwerpunkt Digitale Fabrikation stellt eine langfristige Priorisierung der Thematik sicher, die über die akademische Forschung hinausgeht. Zudem sind mit Sika und Holcim zwei Unternehmen in der Schweiz angesiedelt, welche die Entwicklung auf der Materialseite im internationalen Wettbewerb dominieren.
Auf der technologischen Seite finden sich einige Herausforderungen. Beton für den 3D-Druck muss qualitativ sehr hochwertig sein, was aber dazu führt, dass der Zementgehalt im Beton und damit der CO2-Fussabdruck zunimmt. Um diese Herausforderung zu meistern, braucht es die Zusammenarbeit von Bauingenieur:innen und Materialwissenschaftler:innen. Armierungseisen müssen in die gedruckten Strukturen integriert oder aber ersetzt werden. Gelingt dies nicht, bleiben die Anwendungen stark limitiert. Ausserdem sind die verwendeten Baumaterialien wie auch die Verfahren neuartig, das heisst, es fehlen Langzeitstudien, welche für eine Kommerzialisierung im Grossmassstab notwendig sind. Zugleich steht der schichtweise Aufbau, der aus dem Druck resultiert, im Widerspruch zur benötigten Kontinuität in derselben Dimension, was die Frage nach der Erdbebensicherheit in den Raum stellt. Auch die Thematik Unterhalt und Reparatur sowie Recycling von additiv gefertigten Bauteilen muss angegangen werden.
Auf gesellschaftlicher Seite stehen den Vorteilen der Technologie Bedenken in Bezug auf einen Stellenabbau in der Baubranche gegenüber. Es ist allerdings zu erwarten, dass neue, spannendere Arbeitsplätze geschaffen werden.
Obwohl die Anschaffung eines 3D-Druckers teuer ist, lohnt sie sich für KMU der Baubranche: Vor allem der Druck von Schalungsformen für den Eigengebrauch oder zum Verkauf zahlt sich aus, der Markt ist gross. Zukünftig werden sich auch mit anderen Produkten wie Betonmöbeln, Gartenaccessoires, Treppen und komplexen Wänden Gewinne erzielen lassen. Um den Drucker zielführend einzusetzen, muss aber die Herangehensweise an das Produkt und dessen Fertigung angepasst werden. Fachwissen ist gefragt, das auch bei der Optimierung des eingesetzten Materials unabdingbar ist. Alternativ kann der Druck von Bauteilen als Dienstleistung bezogen werden. Anbieter:innen finden sich global und in der Schweiz.
Ein konkretes Anwendungsbeispiel findet sich im Beitrag Teamwork in der Luft.