Synfuels

Expert:innen: Paco Laveille (ETH Zürich)

Technologien zur Herstellung von synthetischen Treibstoffen tragen auch in der Schweiz zur Dekarbonisierung und zum Klimaschutz bei und reduzieren die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Eine zentrale Rolle spielen neue Katalysatoren, die erneuerbare und lokal verfügbare Ressourcen wie Biomasse, Kunststoffabfälle, Kohlenstoffdioxid, Wasser und Sonnenlicht in Treibstoffe und in andere hochwertige Chemikalien umwandeln. Um die Entwicklung zu beschleunigen, sind KI-gesteuerte Experimente und automatisierte Labore unverzichtbar. Die Technologie bringt der Schweizer Industrie Wettbewerbsvorteile in nachhaltigen Märkten. Für eine erfolgreiche Umsetzung sind jedoch hohe Investitionen in moderne Forschungsinfrastrukturen erforderlich.

Bild: Wassim Chouak, Unsplash

Definition

Synfuels sind Treibstoffe, die mithilfe von erneuerbaren Energien aus Kohlenstoffdioxid (CO2) und Wasser oder aus erneuerbaren Rohstoffen synthetisch hergestellt werden und konventionelle Treibstoffe aus fossilen Quellen wie Benzin, Diesel oder Kerosin ersetzen. Eine Schlüsseltechnologie für die nachhaltige Synthese von Synfuels ausgefeilte Katalyseprozesse. 

Eine Katalyse beschleunigt eine chemische Reaktion mithilfe von spezifischen Substanzen – auch Katalysatoren genannt, die bei dem Prozess nicht verbraucht werden. Sie reduzieren jedoch die Druck- und Temperaturanforderungen der Reaktion und verringern somit ihren gesamten Energiebedarf. Gleichzeitig erhöhen die Katalysatoren die Ausbeute der Produkte und minimieren die Bildung von Nebenprodukten. Dadurch wird eine industrielle Produktion mit geringerem Energie- und Ressourcenverbrauch möglich. 

Heutige Anwendungen und Chancen 

Die Katalyse spielt in vielen industriellen Prozessen eine zentrale Rolle, zum Beispiel bei der Herstellung von Treibstoffen aus fossilen Quellen, bei der Synthese von Kunststoffen, von medizinischen Wirkstoffen, von Speiseölen oder von Stickstoffdüngern sowie bei der Neutralisierung von Umweltgiften wie Schadstoffen in Autoabgasen. Mit neuen Katalyse-Verfahren lassen sich jedoch auch Synfuels aus erneuerbaren Rohstoffen wie Pflanzenöle, Pyrolyseöle, CO2, Sonnenlicht und Wasser effizient herstellen. 

Die Technologie zur Herstellung von synthetischen Treibstoffen aus Biomasse ist bereits heute vorhanden und technisch anwendbar. Doch die Bereitstellung der dafür notwendigen erneuerbaren Rohstoffe ist noch unzureichend und teuer. Eine mögliche Alternative im grosstechnischen Massstab ist die sogenannte Fischer-Tropsch-Synthese, bei der Synthesegase in einem katalytischen Polymerisationsverfahren in Synfuels oder andere hochwertige Chemikalien umgewandelt werden. Um die gewünschten Produkte zu erhalten, müssen stabilere und hochselektive Katalysatoren entwickelt werden. Zudem werden die als Ausgangsstoff verwendeten Synthesegase noch überwiegend durch Reformierung von Methan aus fossilen Brennstoffen hergestellt. Eine nachhaltige Alternative ist die Herstellung der Synthesegase mittels Trockenreformierung oder die Nutzung von Abgas-Methan. Die in diesen Prozessen eingesetzten Katalysatoren sind jedoch noch zu wenig stabil. 

Zunehmend an Bedeutung gewinnt die katalytische Umwandlung von CO2 und Wasserstoff in Methanol und andere Chemikalien. Eine Herausforderung ist dabei die Gewinnung und Abscheidung von CO2 und die Sicherstellung einer nachhaltigen Versorgung mit grünem Wasserstoff. Darüber hinaus ist die Entwicklung neuer hochselektiver Katalysatoren erforderlich, die CO2 nicht nur in Methanol, sondern in ein breiteres Spektrum hochwertiger chemischer Produkte umwandeln. 

Synthetische Treibstoffe haben den Vorteil, dass sie nahtlos in bestehende Transport- und Speicherinfrastrukturen integriert werden können, was den Übergang zu nachhaltiger Mobilität erleichtert. Dies ist insbesondere in schwer dekarbonisierbaren Sektoren wie der Luftfahrt und Schifffahrt von Vorteil. Hier bieten Synfuels eine direkte Alternative zu fossilen Brennstoffen.  

In der Katalyseforschung spielt die Schweiz an vorderster Front mit. Doch während die Technologie in der Pharma- und Biotech-Branche bereits breit eingesetzt wird, ist sie hierzulande in der Herstellung synthetischer Treibstoffe trotz eines lebendigen Start-up-Ökosystems noch unbedeutend. Mit einer gezielten Förderung der Bereiche Katalyse, Materialwissenschaften und KI-gesteuerte, automatisierte Laborinfrastrukturen kann die Schweiz jedoch auch in diesem Bereich eine führende Position einnehmen. 

Herausforderungen 

Im Energiebereich werden Katalysatoren bislang vorwiegend zur Herstellung von Produkten aus fossilen Rohstoffen eingesetzt. Diese Katalysatoren sind oft weder selektiv noch stabil genug, um erneuerbare und komplexe Ausgangsstoffe wie CO2 oder Pyrolyseöle umzuwandeln. Die dafür erforderlichen hochselektiven Katalysatoren basieren in der Regel noch auf seltenen und teuren Metallen wie Platin, Palladium oder Iridium. Um die Abhängigkeit von diesen begrenzten Ressourcen zu verringern, sollten neue Katalysatoren auf der Basis von reichlich vorhandenen Materialien wie Eisen, Kobalt oder Nickel entwickelt werden. 

Die herkömmliche Entwicklung neuer Katalysatoren im Labor erfolgte weitgehend nach dem arbeits- und ressourcenintensiven Trial-and-Error-Prinzip. Heute nutzen Labore jedoch zunehmend KI und Automatisierung: KI analysiert komplexe Datensätze und schlägt optimale Versuchsbedingungen vor, wodurch die Anzahl der Experimente reduziert und erfolgreiche Versuche beschleunigt werden. Zudem synthetisieren und testen Roboterplattformen Verbindungen rund um die Uhr mit hoher Reproduzierbarkeit. Dabei sind fortschrittliche Analyse- und Berechnungstools unerlässlich, um die Reaktionsmechanismen auf atomarer Ebene zu verstehen. Die vom ETH-Bereich geförderte Plattform SwissCAT+ stellt der Schweizer Forschung diese für die Entwicklung hochselektiver Katalysatoren erforderlichen Mittel und Infrastrukturen bereit. 

Um die im Labormassstab erzielten Resultate in industrielle Anwendungen zu überführen, werden Skalierungsplattformen benötigt, die auf Start-ups und Forschungseinrichtungen zugeschnitten sind. Diese fehlen in der Schweiz für die Katalyseforschung bisher noch. Der Aufbau und das kontinuierliche Upgrade solcher Plattformen und hochmoderner Labore erfordern jedoch erhebliche finanzielle Investitionen.  

Fokus Industrie

Unternehmen, die Synfuels mit fortschrittlichen Katalysetechnologien produzieren und nutzen, gelten als Vorreiter des Green Deal werden. Denn diese Verfahren senken nicht nur den Energieverbrauch und die Kosten chemischer Produktionsprozesse, sondern steigern auch die Ausbeute und bieten damit erhebliche Wettbewerbsvorteile in nachhaltigen Märkten. 

Die Entwicklung der hochselektiven Katalysatoren erfordert jedoch erhebliche Investitionen in moderne Forschungs- und Produktionsinfrastrukturen sowie in die Gewinnung oder das Recycling von Materialien wie Kobalt, Nickel und Platin. Darüber hinaus hängt die Produktion synthetischer Treibstoffe von der Sicherstellung grosser Mengen erneuerbarer Energien und Rohstoffe ab – darunter Biomasse, CO2 und Wasserstoff. 

Schliesslich sind die Unternehmen auf Mitarbeitende mit einem fundierten Fachwissen in Chemie, Chemieingenieurwesen und Materialwissenschaften angewiesen, die zusätzlich in KI-gestützten Experimenten, Laborautomatisierung, Programmierung, Robotik und statistischer Datenanalyse versiert sind. 

Internationale Perspektive 

Vor allem im Bereich der Forschung ist die Schweiz international eng vernetzt. Forschungsgruppen der ETH Zürich und der EPFL sind in europäischen Konsortien wie zum Beispiel Horizon Europe und in internationalen Forschungsnetzwerken eingebunden. Auch im Rahmen nationaler Initiativen wie dem Nationalen Forschungsschwerpunkt «Nachhaltige chemische Prozesse durch Katalysatordesign» (kurz NFS Catalysis) oder der Plattform Swiss CAT+ sind zahlreiche international ausgerichtete Projekte initiiert worden, um die Entwicklung von Katalysatoren für nachhaltige Brennstoffe voranzutreiben. 

Zukünftige Anwendungen 

Neue Katalysatoren werden die effiziente Produktion nachhaltiger Treibstoffe und chemischer Produkte entscheidend voranbringen. Mit hochselektiven Katalysatoren lassen sich Ethanol, Flugtreibstoffe und aromatische Verbindungen aus Treibhausgasen herstellen. Energieeffiziente Katalysatoren ermöglichen die kostengünstige Herstellung von nachhaltigem Ammoniak, der sowohl als Dünger als auch zur Speicherung erneuerbarer Energie eingesetzt werden kann. Eine immer wichtigere Rolle werden elektrokatalytische Verfahren für die Umwandlung von CO2 in Synfuels und andere hochwertige Chemikalien spielen, da sie eine noch höhere Selektivität und Energieeffizienz bieten. Schliesslich wandeln selektive Katalysatoren auch Pyrolyseöl aus Biomasse oder Kunststoffen in hochwertige Treibstoffe und Grundchemikalien um. 

Die Weiterentwicklung der Katalyse stärkt die chemische und pharmazeutische Industrie in der Schweiz und ermöglicht umweltfreundlichere Produktionsprozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Sie trägt zum Netto-Null-Ziel 2050 der Schweiz bei und stärkt die Energieunabhängigkeit und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit insgesamt. Allerdings muss das politische Bewusstsein für die Vorteile dieser Technologie noch weiter geschärft werden. Ein globaler privater oder staatlicher Investitionsfonds könnte das notwendige Kapital bereitstellen, um Forschung und darauffolgend die Skalierung entsprechender Anlagen voranzutreiben.

Weiterführende Informationen

A Ramirez, E Lam, D Pacheco Gutierrez, Y Hou, H Tribukait, LM Roch, C Copéret, P Laveille. (2024) Accelerated exploration of heterogeneous CO2 hydrogenation catalysts by Bayesian-optimized high-throughput and automated experimentation.  

P Laveille, P Miéville, S Chatterjee, E Clerc, JC Cousty, F De Nanteuil, E Lam, E Mariano, A Ramirez, U Randrianarisoa, K Villat, C Copéret, N Cramer. (2023) Swiss CAT+, a data-driven infrastructure for accelerated catalysts discovery and optimization.  

GW Huber, S Iborra, A Corma. (2006) Synthesis of transportation fuels from biomass:  chemistry, catalysts, and engineering.  

ETH Zürich und EPFL. SwissCAT+ Catalysis Hub

NCCR Catalysis. NCCR catalysis - Challenge. 

Keywords

Synthetic and Sustainable Fuels, Catalysis, Carbon Capture and Utilization, Renewable Feedstocks, AI-driven Automated Experimentation, Fischer-Tropsch 

Akademische Akteur:innen

Corsin Battaglia (Empa), Jeroen van Bokhoven (PSI und ETH Zürich), Christophe Copéret (ETH Zürich), Sophia Haussener (EPFL), Paco Laveille (ETH Zürich), Greta Patzke (Uni ZH), Javier Pérez-Ramirez (ETH Zürich), Aldo Steinfeld (ETH Zürich) 

Firmen

Catalyst Group, Clariant, Climeworks, Daphne Technology, SoHHytec, Synhelion