Expert:innen: Andreas Fuhrer (IBM Research), Max Rossmannek (IBM Research)
Quantencomputer versprechen, Probleme der Informatik zu lösen, die für herkömmliche Computer noch kaum oder gar nicht zu bewältigen sind. Obwohl bei Quantencomputern grosse Fortschritte erzielt werden, wird es noch dauern, bis diese ihre Überlegenheit voll entfalten. Deshalb versuchen Forschende nun, das Zusammenspiel mit klassischen Hochleistungsrechnern zu verbessern. Gelingt dies, könnten Anwendungen resultieren, die heute weder von Supercomputern noch von Quantencomputern allein ausgeführt werden können.
Bild: IBM
*Aktualisierte Version des Beitrags von 2023.
Es gibt mathematisch beschreibbare Probleme, die nicht gelöst werden können, obwohl der Lösungsansatz im Prinzip bekannt ist und bewiesenermassen funktioniert. Bei manchen dieser Probleme ergibt sich die Unlösbarkeit aus der schieren Menge an Parametern. Andere Probleme lassen sich nicht lösen, weil das Lösen zu viele Schritte erfordert oder die Zwischenresultate zu viel Speicher benötigen. Solche Probleme sind in den unterschiedlichsten Disziplinen anzutreffen: in der Chemie, in der Pharmazie oder in der Finanz- und Versicherungsmathematik. Quantencomputer werden erforscht, weil mehrfach gezeigt werden konnte, dass sie in der Lage sind, einige dieser heute nicht lösbaren Probleme zu lösen. Weil sie grundsätzlich anders rechnen als digitale Computer.
Quantencomputer nutzen Quantensysteme und deren Eigenschaften, die von der Quantenmechanik beschrieben werden, also jenem Teilbereich der Physik, der sich mit dem Verhalten der kleinsten Teile der Materie beschäftigt. In der Welt der Quanten gelten andere Gesetze als in der klassischen Mechanik und vieles wirkt kontraintuitiv. Die Superposition ist eine der Eigenschaften, die geschickt genutzt, mitunter dazu führt, dass Quantencomputer leistungsfähiger sind als klassische Computer. Weil ein Qubit durch die Überlagerung verschiedener Zustände deutlich mehr Informationen repräsentieren kann als ein klassisches Bit.
In einem Quantencomputer koppelt man nun viele dieser Qubits kontrolliert und in einer programmierbaren Abfolge miteinander: So können komplexe Quantenzustände erzeugt werden, mit denen dann gerechnet wird. Der Umstand, dass verschiedene Lösungspfade gleichzeitig berechnet werden können, ist ein weiterer wichtiger Grund, weshalb Quantencomputer für bestimmte mathematische Probleme viel effizienter sind als klassische Rechner.
Noch hält sich die Nützlichkeit von Quantencomputern in Grenzen. Die derzeit erzielten Fortschritte sind bedeutsam und das Feld entwickelt sich derart zügig, dass namhafte Expert:innen davon ausgehen, dass bis 2030 die ersten fehlerkorrigierten Quantencomputer auf dem Markt sind.
Das Entwickeln von Methoden zur Fehlerkorrektur ist eine der grössten aktuell bestehenden Hürden. Wenn der Bau eines funktionstüchtigen und fehlertoleranten bzw. fehlerkorrigierten Quantencomputers gelingt, wird das zu disruptiven Fortschritten in einer Reihe von Forschungsfeldern und Branchen führen.
Quantensysteme können ihren Zustand verlieren, im Fachjargon spricht man von Dekohärenz. Das hat zur Folge, dass nach einer gewissen Zeit nicht mehr bestimmt werden kann, ob sich der Zustand des Quantensystems geändert hat und das, was da gerade gemessen wird, einzig eine Folge zufälligen Rauschens, also fehlerhaft ist. Man sieht es weder dem Quantensystem noch der ausgelesenen Information an, ob das Quantensystem, platt gesagt, die Wahrheit spricht oder lügt.
Der Grund, dass Fehler sich einschleichen, liegt darin, dass in der Physik alles nach einem Energieausgleich strebt. Auch Quantensysteme streben nach einer minimalen Energiedifferenz gegenüber ihrer Umgebung. Ein perfekt abgeschottetes Quantensystem, das seinen Zustand ewig halten könnte, liesse sich darum nicht kontrollieren, weil Kontrollierbarkeit und Störungsanfälligkeit Hand-in-Hand gehen. Die Suche nach fehlertoleranten Quantencomputern versucht einen Umgang mit dieser Schwierigkeit zu finden. Etwa indem die Zeit verlängert wird, in der die Quantensysteme ihren Zustand halten. Oder indem die Geschwindigkeit von Operationen erhöht wird. Ziel ist, dass die Operationen schneller sind als der Zerfall.
Andererseits wird eine Methode gesucht, die es erlaubt, bedeutsame Resultate von zufälligem Rauschen zu unterscheiden. Der Zerfall der Zustände soll gemessen und laufend korrigiert werden können. Weil die Brauchbarkeit der Quantencomputer von der Fehlertoleranz abhängig ist, ist die Suche nach Methoden zur Fehlerkorrektur eines der zentralen Forschungsfelder bei der Weiterentwicklung von Quantencomputern.
Quantencomputer operieren fundamental anders als klassische Computer. Sie arbeiten in manchem auch weniger gut. Weil sich Quantencomputer nur für bestimmte Probleme eignen und auch da voraussichtlich nur für ganz bestimmte Teilprobleme wirklich stark sind, müssen diese Probleme erst extrahiert werden. Quantencomputer werden eine Ergänzung zum klassischen Hochleistungsrechner bleiben. Der Hochleistungsrechner wird, auch wenn Quantencomputer sich etablieren, für viele der heutigen Probleme zuständig sein. Hochleistungsrechner werden den Einsatz des Quantencomputers vor- und nachbereiten und alle Teile des jeweiligen Problems bearbeiten, bei denen Quantencomputer keine Vorteile bringen.
Deshalb hat sich in den letzten Jahren ein wesentlicher Teil der F&E-Anstrengungen dem Zusammenspiel von Quanten- und Supercomputern gewidmet. Schon heute zeigt die Praxis, dass das Verbinden beider Welten zu Ergebnissen führt, die weder Quantencomputer noch Hochleistungsrechner für sich genommen erreichen könnten. Auch verspricht man sich von einer Integration aus Quantencomputern und Hochleistungsrechnern, dass Quantencomputer früher nützlich werden.
Gleichzeitig stellt das Verbinden beider Welten eigene Herausforderungen auf. Und dies sowohl auf Ebene der Hard- als auch der Software.
Softwareseitig bestehen die Herausforderungen darin, dass Programme, die sowohl klassische als auch quantenalgorithmische Komponenten enthalten, effizient ausgeführt werden können. Es bedarf sowohl an entsprechenden Entwicklungsumgebungen als auch Programme, die die jeweiligen Aufgaben an den klassischen oder den Quantencomputer zuweisen.
Derzeit gibt es verschiedene Paradigmen für den Bau der Hardware von Quantencomputern, das Entwickeln entsprechender Software hinkt in vielem der Hardware hinterher. Derzeit sind die Kompetenzen zum Programmieren von Quantenalgorithmen noch nicht weitverbreitet. Die ETH Zürich hat darauf reagiert und führt einen entsprechenden Masterstudiengang ein.
Heute folgen die meisten Industrieprojekte im Bereich Quantencomputer einem wissenschaftlichen Interesse und haben demonstrativen oder explorativen Charakter. Heute werden Quantencomputer mit dem Ziel in Betrieb genommen, dass potenzielle Anwender:innen erste Erfahrungen mit dieser neuen Form des Computings machen können.
In den vergangenen Jahren beruhigte sich der Lärm um Quantencomputer etwas, trotzdem wird intensiv an ihrer Weiterentwicklung geforscht – sowohl an Hochschulen, in der Industrie und oft in Public Private Partnerships.
Die Aktivitäten in der Quanteninformatik leben stark von der Vernetzung zwischen den Hochschulen und der Industrie, zwischen verschiedenen Unternehmen und auch vom Austausch zwischen verschiedenen Ländern.
Zahlreiche Länder haben ihre Aktivitäten im Bereich der Quanteninformatik zu einem strategischen Schlüsselthema erklärt, was den internationalen Wettbewerb stark antreibt. Die Schweiz ist von den europäischen Forschungsprojekten zum Thema Quantentechnologie grösstenteils ausgeschlossen. Die Schweizer Forschungsförderung hat sich zur strategischen Bedeutung der Quanteninformatik bekannt und mit der Swiss Quantum Initiative (SQI) ein neues Instrument geschaffen, mit dem akademische wie industrielle Forschung gefördert wird. Einige der Nachteile, die durch die Beeinträchtigung der Zusammenarbeit mit Europa entstehen, sollen dadurch kompensiert werden. Ob diese Initiative das zu leisten vermag, ist umstritten.
Die weltweiten Anstrengungen zur Weiterentwicklung des Quantencomputers haben in den letzten Jahren zu grossen Fortschritten geführt. Auch wenn derzeit noch unklar ist, wann kommerziell verfügbare Quantencomputer im Betrieb sein werden, zeichnet sich schon heute ab, dass die Anstrengungen in Forschung und Entwicklung von Quantencomputern stark an Momentum gewinnen.
Es ist zu erwarten, dass in den nächsten Jahren grosse Fortschritte im Zusammenspiel von Quantencomputern und Supercomputern erzielt werden und es auch zu ersten Anwendungen kommen wird, die über die Cloud zugänglich sein werden und die über ein rein wissenschaftliches Interesse hinausgehen.
Viele Unternehmen erzielen laufend erhebliche Fortschritte beim Bau von Quantenrechnern, die ihren Kund:innen und Nutzer:innen zur Verfügung gestellt werden. Einige Hersteller gehen davon aus, dass fehlertolerante Quantenrechner bis 2030 zur Verfügung stehen.
A Abbas, A Ambainis, B Augustino, A Bärtschi, H Buhrman, C Coffrin, G Cortiana, V Dunjko, DJ Egger, B. Elmegreen, N Franco, F Fratini, B Fuller, J Gacon, C Gonciulea, S Gribling, S Gupta, S Hadfield, R Heese, G Kircher, T Kleinert, T Koch, G Korpas, S Lenk, J Marecek, V Markov, G Mazzola, S Mensa, N Mohseni, G Nannicini, C O'Meara, E Peña Tapia, S Pokutta, M Proissl, P Rebentrost, E Sahin, BCB Symons, S Tornow, V Valls, S Woerner, ML Wolf-Bauwens, J Yard, S Yarkoni, D Zechiel, S Zhuk, C Zoufal. (2024) Challenges and opportunities in quantum optimization.
Y Alexeev, M Amsler, P Baity, MA Barroca, S Bassini, T Battelle, D Camps, D Casanova, YJ Choi, FT Chong, C Chung, C Codella, AD Corcoles, J Cruise, A Di Meglio, J Dubois, I Duran, T Eckl, S Economou, S Eidenbenz, B Elmegreen, C Fare, I Faro, C Sanz Fernández, R Neumann Barros Ferreira, K Fuji, B Fuller, L Gagliardi, G Galli, JR Glick, I Gobbi, P Gokhale, S de la Puente Gonzalez, J Greiner, B Gropp, M Grossi, E Gull, B Healy, B Huang, TS Humble, N Ito, AF Izmaylov, A Javadi-Abhari, D Jennewein, S Jha, L Jiang, B Jones, WA de Jong, P Jurcevic, W Kirby, S Kister, M Kitagawa, J Klassen, K Klymko, K Koh, M Kondo, DM Kurkcuoglu, K Kurowski, T Laino, R Landfield, M Leininger, V Leyton-Ortega, A Li, M Lin, J Liu, N Lorente, A Luckow, S Martiel, F Martin-Fernandez, M Martonosi, C Marvinney, A Castaneda Medina, D Merten, A Mezzacapo, K Michielsen, A Mitra, T Mittal, K Moon, J Moore, M Motta, YH Na, Y Nam, P Narang, Y Ohnishi, D Ottaviani, M Otten, S Pakin, VR Pascuzzi, E Penault, T Piontek, J Pitera, P Rall, GS Ravi, N Robertson, M Rossi, P Rydlichowski, H Ryu, G Samsonidze, M Sato, N Saurabh, V Sharma, K Sharma, S Shin, G Slessman, M Steiner, I Sitdikov, IS Suh, E Switzer, W Tang, J Thompson, S Todo, M Tran, D Trenev, C Trott, HH Tseng, E Tureci, DG Valinas, S Vallecorsa, C Wever, K Wojciechowski, X Wu, S Yoo, N Yoshioka, VW Yu, S Yunoki, S Zhuk, D Zubarev. (2024) Quantum-centric supercomputing for materials Sciences: a perspective on challenges and future directions.
A Di Meglio, K Jansen, I Tavernelli, C Alexandrou, S Arunachalam, CW Bauer, K Borras, S Carrazza, A Crippa, V Croft, R de Putter, A Delgado, V Dunjko, DJ Egger, E Fernandez-Combarro, E Fuchs, L Funcke, D Gonzalez-Cuadra, M Grossi, JC Halimeh, Z Holmes, S Kuhn, D Lacroix, R Lewis, D Lucchesi, M Lucio Martinez, F Meloni, A Mezzacapo, S Montangero, L Nagano, V Radescu, E Rico Ortega, A Roggero, J Schuhmacher, J Seixas, P Silvi, P Spentzouris, F Tacchino, K Temme, K Terashi, J Tura, C Tuysuz, S Vallecorsa, UJ Wiese, S Yoo, J Zhang. (2024) Quantum computing for high-energy physics: state of the art and challenges. Summary of the QC4HEP working group.
SATW. (2024) Quantencomputer: Wie funktionieren sie und wozu werden wir sie nutzen können?
S Basu, J Born, A Bose, S Capponi, D Chalkia, TA Chan, H Doga, FF Flother, G Getz, M Goldsmith, T Gujarati, A Guzman-Saenz, D Iliopoulos, GO Jones, S Knecht, D Madan, S Maniscalco, N Mariella, JA Morrone, K Najafi, P Pati, D Platt, MA Rapsomaniki, A Ray, K Rhrissorrakrai, O Shehab, I Tavernelli, M Tolunay, F Utro, S Woerner, S Zhuk, JM Garcia, L Parida. (2023) Towards quantum-enabled cell-centric therapeutics.
Global Quantum Intelligence. Quantum Computing Report.
IBM. What is quantum-centric supercomputing?
NCCR QSIT. Quantum science and technology.
Quantum Industry Day in Switzerland. Quantum Industry Day in Switzerland 2025.
Swissmem. Swiss Quantum Industry Network.
Swiss Quantum Initiative. Swiss Quantum Commission.
Quantum Computing, High-Performance Computing, Qubits, Quantum Algorithms, Superconducting Qubits, Ion Traps, Spin Qubits, Quantum Materials
Giuseppe Carleo (EPFL), Edoardo Charbon (EPFL), Yiwen Chu (ETH Zürich), Klaus Ensslin (ETH Zürich), Andrea Hofmann (Universität Basel), Jonathan Home (ETH Zürich), Zoë Holmes (EPFL), Thomas Ihn (ETH Zürich), Daniel Loss (Universität Basel), Vladimir Manucharyan (EPFL), Renato Renner (ETH Zürich), Vincenzo Savona (EPFL), Pasquale Scarlino (EPFL), Philipp Treutlein (Universität Basel), Andreas Wallraff (ETH Zürich), Richard Warburton (Universität Basel), Dominik Zumbühl (Universität Basel)
Basel Precision Instruments, Enlightra, IBM Research, ID Quantique, Ion Q, Ligentec, Miraex, Qnami, QZabre, Terra Quantum, Zurich Instruments