PICs

Expert:innen: Rachel Grange (ETH Zürich), Tobias J. Kippenberg (EPFL)

Photonisch integrierte Schaltkreise (engl. Photonic Integrated Circuits, PICs) können optische Signale direkt auf einem Halbleiter-Chip erzeugen, detektieren und manipulieren. Sie nutzen Licht für die Datenübertragung statt Elektronen wie in herkömmlichen Chips. PICs integrieren komplexe optische Komponenten wie Laser, Verstärker oder optische Modulatoren auf einem Chip. Die Technologie ermöglicht insbesondere eine höhere Übertragungsgeschwindigkeit in Rechen- und Datenzentren. Das macht sie heute schon zu einem Gamechanger für weite Bereiche der Industrie. Zudem lassen sich mit PICs neuartige, kompakte und skalierbare optische Komponenten herstellen, die neue Anwendungen einerseits in der Photonik und andererseits in zukunftsträchtigen Gebieten wie der Quantentechnologie ermöglichen. Die Technologie hat dementsprechend ein riesiges Marktpotenzial und bietet kleinen und hoch spezialisierten Akteur:innen auch in der Schweiz hervorragende Chancen.

Bild: Ligentec

*Aktualisierte Version des Beitrags von 2023. 

Definition

Herkömmliche Computer-Chips enthalten Schaltkreise mit elektronischen Bauteilen wie Transistoren, Verstärker und Widerstände, die auf eine Halbleiterscheibe aus Silizium, auch Wafer genannt, aufgebracht werden. Für die Datenübertragung werden dabei Elektronen genutzt. Photonisch integrierte Schaltkreise (engl. Photonic Integrated Circuits, PICs) dagegen integrieren auf einem Chip komplexe optische Bauteile wie Laser/LED-Lichtquellen, optische Verstärker, Modulatoren und Wellenleiter, die Licht erzeugen, modulieren und weiterleiten. Sie nutzen also Licht statt Elektronen. Daraus ergeben sich Vorteile: Die Signalübertragung mit Licht ist viel schneller und energieeffizienter als die Übertragung von Elektronen. PICs können daher die Datenverarbeitung in High-Performance-Computern beschleunigen und erhöhen die Energieeffizienz der Datenzentren. Zudem lassen sich durch die Integration der optischen Bauteile vielseitig verwendbare, chipbasierte optische Komponenten für verschiedene photonische Anwendungen herstellen. 

Heutige Anwendungen und Chancen 

PICs auf Silizium-Chips sind bereits heute eine ausgereifte, kommerziell verfügbare Technologie. Solche optischen Chips werden in Daten- und High-Performance-Computing-Zentren für die Signalumwandlung an den Computerschnittstellen zwischen elektrischen Leitungen und optischen Fasern – den sogenannten Interconnects – eingesetzt. Wegen des enormen Datenzuwachses durch KI-Anwendungen stossen diese Interconnects jedoch an ihre Grenzen. 

Die Forschung sucht deshalb nach neuen Halbleitermaterialien, denn Silizium ist bezüglich seiner optischen Eigenschaften nicht ideal. Es leitet Licht nur mit Verlusten weiter und hat keine nicht-lineare optische Eigenschaften, die für elektrooptische Anwendungen unerlässlich sind. Zudem absorbiert Silizium die Wellenlängen des sichtbaren Lichts stark, wodurch dieses nicht genutzt werden kann. Dagegen zeigen Halbleiterkristalle aus Gallium- und Indiumphosphid, aus Siliziumnitrid und -carbid sowie aus Metalloxiden wie Lithiumniobat und Bariumtitanat neue physikalische Eigenschaften, die Laserlicht effizienter modulieren und weiterleiten. Zudem können je nach Material auch Wellenlängen im sichtbaren Bereich genutzt werden. Diese Materialien ermöglichen kleinere und effizientere Photonik-Chips, die das Licht ohne Qualitäts- und Intensitätsverluste weiterleiten und so höhere Übertragungsgeschwindigkeiten bei geringerem Energieverbrauch erlauben. 

Diese Anforderungen werden vor allem mit den zunehmenden KI-Anwendungen immer wichtiger, weil die dabei genutzten neuronalen Netzwerke massiv parallele Rechenschritte erfordern. PICs erfüllen die Anforderungen an Geschwindigkeit und Effizienz der Datenübertragung innerhalb von Rechenzentren und können die Kapazitäten der Interconnects so massiv erweitern. 

Indem PICs teure und bisher nur maschinell gefertigte Bauteile wie Laser, optischer Verstärker und Modulatoren auf einem Chip integrieren, können komplexe optische Komponenten für den Massenmarkt gebaut werden. Ihr hohes Potenzial für eine enorme Skalierbarkeit kann die Fertigung in der Photonik erstmals seit 50 Jahren nachhaltig verändern und ermöglicht zahlreiche neue Anwendungen zum Beispiel in der Automobilindustrie, in der optischen Sensorik, in der Satelliten- und Medizintechnik oder auch in der optischen Nachrichtentechnik.  

Die Schweiz hat gute Chancen, in der Entwicklung der nächsten Generation integrierter Photonik eine führende Rolle zu spielen. Forschungsgruppen an den Hochschulen – insbesondere an den beiden ETHs – sind bei der Suche nach neuen zukunftsträchtigen Materialien für Photonik-Chips, die noch nicht in der Roadmap der Industrie stehen, an vorderster Front mit dabei. Mehrere Start-ups verfügen über fachliche Expertise auf höchstem Niveau und treiben die PICs-Technologie voran. Neben den beiden ETHs erfüllt auch das Centre Suisse d'Électronique et de Microtechnique (CSEM) eine wichtige Scharnierfunktion für den Wissenstransfer von der Hochschulforschung zu anwendungsorientierten Start-ups. 

Herausforderungen  

Das Haupthindernis für Projekte im Gebiet der integrierten Photonik ist der hohe Finanzbedarf vor allem für die Infrastruktur. Für die Fertigung der Wafer und der empfindlichen Schaltkreise werden Reinräume benötigt, also Räume ohne Partikel in der Luft. Start-ups können sich in der Regel aufgrund der hohen Kosten keine eigenen Reinräume leisten. Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass die Innovation an Standorten, wo die Start-ups die Infrastruktur von Universitäten mitbenutzen können, höher ist.  

Die beiden ETHs, das CSEM sowie ein Ableger des Paul Scherrer Instituts (PSI) stellen den hiesigen Start-ups zwar auch Reinräume zur Verfügung. Doch in der Schweiz werden immer noch Technologien verwendet, die auf die Produktion von 100-Millimeter-Wafern ausgelegt sind und schon 20 Jahre alt sind. Die neusten Verarbeitungstechniken werden international jedoch bereits auf 150-Millimeter- oder 200-Millimeter-Wafern etabliert. Um in der Forschung und Entwicklung relevant zu bleiben, müsste auch die Schweiz diesen Technologiesprung nachvollziehen. 

Die herkömmliche Projektförderung in der Schweiz stellt zu wenig Mittel für eine adäquate Weiterentwicklung der Technologie zur Verfügung. Ein Nationales Forschungsprogramm (NFP) zur Entwicklung der integrierten Photonik, zum Beispiel durch die Bereitstellung der dafür erforderlichen Infrastruktur, fehlt. Dadurch ist auch die Vernetzung der relevanten Akteur:innen unzureichend. 

Fokus Industrie

PICs bieten ein riesiges Marktpotenzial für die Schweizer Industrie. In den letzten zwei Jahren hat die Bedeutung dieser Technologie vor allem wegen der Verbreitung von KI-Anwendungen in vielen industriellen Bereichen rasant zugenommen. In kürzester Zeit sind fast zwei Dutzend hoch spezialisierte Start-ups entstanden, die in den für die PICs-Entwicklung entscheidenden Produktionsprozessen wie Chipdesign und -herstellung, Verpackung oder Montage tätig sind.  

Mitarbeitende in diesem Bereich müssen über hervorragende Kenntnisse im Elektroingenieurwesen, in der Physik und in Materialwissenschaften verfügen sowie Erfahrung in der Chipfertigung – insbesondere in der Nanofabrikation – und in der Arbeit in Reinräumen mitbringen.  

Wegen der rasanten Zunahme der Start-ups zeichnet sich ein höherer Fachkräftebedarf ab. Das wichtigste Reservoir für die hoch spezialisierten Fachkräfte im Bereich der PICs-Technologie sind bis anhin die in dem Gebiet tätigen Forschungsgruppen. Allerdings sind in der Schweiz nur wenige Forschungsgruppen auf höchstem Niveau tätig. Der sich abzeichnende Fachkräftemangel gefährdet so angesichts der zunehmenden Komplexität und Breite der Anwendungen den Wissenstransfer zwischen Forschung und Umsetzung. 

Internationale Perspektive 

In den letzten zwei Jahren hat sich der Bereich rasant entwickelt – sowohl bei der Entwicklung von PICs als auch bei ihrer industriellen Nutzung. In der Schweiz gibt es punktuell Forschungsgruppen, die europäisch und international mithalten können und gut vernetzt sind.  

International spielen vor allem einige Cluster rund um Hochschulen in den USA, in Europa und in China eine grosse Rolle. Die finanziellen Möglichkeiten sind im Ausland vielerorts besser als in der Schweiz. Hier fehlen Nationale Förderprogramme (NFP), die beispielsweise Forschungsgruppen und Start-ups den Zugang zu ausreichend ausgebauten Infrastrukturen ermöglichen. 

Zukünftige Anwendungen

Jüngste Fortschritte haben gezeigt, dass die integrierte Photonik, basierend auf hybriden Ansätzen und unter Nutzung neuer Materialien, weit über die Datenübertragung hinaus ein enormes Potenzial hat. Spezifisch entwickelte PICs, die komplexe und teure optische Bauelemente wie Laser oder optische Verstärker auf einem Chip integrieren, werden neue Anwendungen finden. So können sie in ophthalmologischen Medizinprodukten wie beispielsweise in der optischen Kohärenztomografie (engl. Optical Coherence Tomography, OCT) eingesetzt werden. Im Bereich des autonomen Fahrens werden sie in LiDAR-Sensoren der Assistenzsysteme für die Informationserfassung zum Einsatz kommen. Auch Anwendungen in der Metrologie, in der Raumfahrt und in der Militär- und Nachrichtentechnik sind zu erwarten. Gleichzeitig sind photonisch integrierte Schaltkreise auch in der Grundlagenforschung relevant – beispielsweise in der Quantenforschung. Mit dieser breiten Nutzbarkeit werden PICs zu einer Basistechnologie, die in zahlreichen Industrieklassen zu bahnbrechenden Entwicklungen führen wird. 

Die Technologie eröffnet der Wirtschaft grosse Chancen. Schweizer Unternehmen können durch die Entwicklung von PICs und der Produktion von photonischen Chips ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern, sofern Politik und Wirtschaft die erforderliche Unterstützung für eine ausreichende Finanzierung der Infrastruktur gewährleisten. Zudem eröffnen sie neue Märkte und können dadurch auch Arbeitsplätze schaffen.

Weiterführende Informationen

C Wang, Z Li, J Riemensberger, G Lihachev, M Churaev, W Kao, X Ji, J Zhang, T Blesin, A Davydova, Y Chen, K Huang, X Wang, X Ou, T Kippenberg. (2024) Lithium tantalate photonic integrated circuits for volume manufacturing

EPIC. European Photonics Industry Consortium

PIC. Swiss Photonic Integration Center

Keywords

Optics and Photonics, Integrated Photonic Circuits, Nanofabrication, Low Power Consumption 

Akademische Akteur:innen

Ileana-Cristina Benea-Chelmus (EPFL), Jérôme Faist (ETH Zürich), Rachel Grange (ETH Zürich), Jürg Leuthold (ETH Zürich), Tobias Kippenberg (EPFL), Kirsten Moselund (PSI), Hamad Sattari (CSEM) 

Firmen

Deeplight, Enlightra, Helbling, Ligentec, Lightium, Lumiphase, Luxtelligence, Miraex, Polariton, Versics