Gopf! Eine Software mit Durchblick

Expert:innen: Kevin Kuhn (Gopf)

Das Luzerner Start-up Gopf hat eine Software entwickelt, um Marktdaten zu beschaffen und zu analysieren. Die Software nutzt Technologien wie das automatisierte Sammeln von Web-Inhalten und das Identifizieren von Mustern und Marktbewegungen mittels grosser Sprachmodelle. So schafft Gopf einen KI-Bot, der Mitbewerbende, Zulieferer und Abnehmende beobachtet, Trends ableitet und Informationen zusammenfasst.

Bild: Chor Tsang (Unsplash)

Es scheint paradox. Viele Gegenwartsdiagnosen handeln von Überforderung, Unsicherheit, Nichtwissen oder gar Verwirrung. Obwohl Informationen und Wissen so einfach zugänglich sind wie noch nie. Und genau da liegt das Problem: Zu viel Lärm, zu wenig Sinn. Das Rauschen macht es schwer, Signale zu identifizieren, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Wir hören vom Katzenwels im Teich des Nachbardorfs mehr als über den internationalen Handel. 

Vernünftige Entscheidungen brauchen sachliche Grundlagen. An allen Ecken und Enden fehlt es an Aufmerksamkeit, Zeit und Geld, um im Rauschen, dem Wust an Daten, relevante Informationen zu extrahieren und daraus bewältigbare Pakete zu schnüren. Hier setzt Gopf an. Ein KI-Bot sucht nach relevanten Daten, verarbeitet diese, fasst sie automatisiert zusammen und generiert Berichte. Weshalb Gopf? Wie kamen Kevin Kuhn und seine Mitstreiter:innen dazu, eine solche Software zu entwickeln?  

Übersicht gewinnen in grossen Datenmengen

Kevin Kuhn, Gründer und CEO von Gopf, berichtet, wie er sich im Jahr 2020 mit der Frage beschäftigt habe, Informationen zu clustern und diese im dreidimensionalen Raum darzustellen.  Schnell habe er allerdings merken müssen, dass solche Visualisierungen weniger leicht zu lesen sind, als er dachte.  

Kuhn beschäftigte sich deshalb weiter mit der Frage, wie Sinn in grossen Datenmengen gefunden werden könne. Sein Erstaunen über die Möglichkeiten, die in der Analyse grosser Textmengen liegen, klingt noch heute im Namen des Unternehmens an: «Gopf!». Das schweizerdeutsche Wort bringt meist Verblüffung zum Ausdruck.  

Eng mit der Geschichte des Unternehmens verbunden ist die Frage, wie die universitäre Weiterbildungslandschaft beschaffen ist. Kuhns Ziel ​​war es, damals im Jahr 2021, nicht nur eine Übersicht zu erstellen, welche Inhalte die unzähligen CAS- und MAS-Programme vermitteln, sondern auch die verschiedenen Unterrichtsformate zu identifizieren.  

Er erzählt ganz begeistert davon, wie er und seine Kolleg:innen damals ein Programm gebaut haben, das diese Daten zur Weiterbildungslandschaft aus dem Netz sammelt, herunterlädt und anschliessend auswertet. Ihre Analyse nutzte gängige Verfahren der maschinellen Sprachverarbeitung, sogenannte Semantic Similarity Maps, mit denen die Ähnlichkeit der Kursbeschreibungen kartiert wurden. Hat man die verschiedenen Kursinhalte und Kursformate erst einmal nach Ähnlichkeit sortiert, können daraus Cluster identifiziert und relevante Gruppen gebildet werden.  

Im Jahr 2023 beschaffte sich Gopf die Handelsregisterdaten der 653‘000 Schweizer Unternehmen. Der im Handelsregister verzeichnete Unternehmenszweck gibt aber kaum Aufschluss über die tatsächliche Tätigkeit der jeweiligen Organisation. Eine automatisierte Internetsuche hilft weiter: Jedes dieser 653‘000 Unternehmen wird im Internet gesucht und die relevantesten Ergebnisse werden heruntergeladen und ausgewertet. Dabei kommen ähnliche Verfahren zum Einsatz, die Kevin Kuhn und seine Mitstreiter:innen damals genutzt haben, um die Weiterbildungslandschaft zu verstehen. Einfach mit dem Ziel, Daten aus der Wirtschaft zu sammeln, auszuwerten und zu clustern.  

Die Software ist in der Lage, Auskunft zu Branchen, ihren Produkten und ihren Herausforderungen zu geben, indem es die Webseiten von relevanten Unternehmen und entsprechende Fachzeitschriften durchforstet. So gibt das Tool Aufschluss über ganze Branchen, identifiziert Markttrends und beobachtet Zulieferer- sowie Abnehmer. Es handelt sich bei dem Tool um ein KI-System, das ähnlich wie Gemini oder ChatGPT Textdaten analysiert und dafür auf grosse Sprachmodelle, die Large Language Models, zurückgreift. Dabei können Nutzer:innen Suchbegriffe, Fragestellungen, Quellen und die Art des Outputs festlegen. 

Datenanalysen und Prognosen in laufenden Meetings

Ein Segment, in dem Gopf Potenzial vermutet, ist die Maschinenbauindustrie. Diese ist geplagt von sinkenden Margen und einer zunehmend erstarkenden Konkurrenz aus Asien. Inkrementelle Innovationen, also die schrittweise Verbesserung von Produkten, nehmen zu, während der Anteil an disruptiven Innovationen seit Jahren rückläufig ist. Und dies in einer Zeit, die zeigt, wie wichtig Marktneuheiten sind und dass von diesen nicht nur ein grosses unternehmerisches Potenzial, sondern auch eine enorme volkswirtschaftliche Bedeutung ausgeht (siehe SATW-Studie Innovationskraftanalyse). 

Kevin Kuhn betont, wie wichtig es sei, den Markt und die eigenen Daten genau zu kennen und zu verstehen, was die Mitbewerbenden tun. Ein Verständnis für die Abnehmer und Zulieferer zu entwickeln, könne helfen, im richtigen Moment die richtigen Entscheidungen zu treffen. Er denkt gross. Ihm schwebt vor, dass man mit dem KI-Bot direkt in Microsoft Teams oder Zoom interagieren kann.  

Wenn die Fülle an Möglichkeiten überfordert

«Solche Programme sind technisch anspruchsvoll und brauchen einiges an Fachwissen», stellt Kevin Kuhn fest, «allerdings ist das nicht der Ort der grossen Schwierigkeiten, denn die Einzelteile seien im Prinzip entwickelt. Neu sei die Art der Verknüpfung und die daraus abgeleiteten Dienstleistungen».  

Die Schwierigkeiten, die das Aufbauen von Gopf treffen, sind subtiler, aber auch gewichtiger. Zunächst kostet das Entwickeln solcher Systeme Zeit und Geld – die Kosten belaufen sich auf eine mittlere sechsstellige Zahl. Das Ergebnis ist eine Software, die für viele unterschiedliche Dinge genutzt werden kann. Und genau darin liegt auch die grosse Herausforderung. Nämlich Interessierten zu erklären, wozu das System in der Lage ist und wofür es genutzt und wie es am gewinnbringendsten eingesetzt werden kann. Ohne das Gegenüber mit der Fülle an Möglichkeiten zu überfordern.  

Geschichten erzählen, bleibt auch in Zeiten maschineller Sprachverarbeitung eine Herausforderung. Was sich verändern wird, ist, wie diese Geschichten zustande kommen, welche Daten diesen zugrunde liegen. Und da gilt es, alle verfügbaren Werkzeuge zu nutzen.