Ein Reisepass für Batterien

Expert:innen: Peter Krummenacher (BloqSens AG) 

Was bei Menschen längst selbstverständlich ist, soll bald auch für Batterien gelten – die Identifizierung dank eines Reisepasses. Dieser macht künftig deren Herkunft, Nutzung und Lebensdauer transparent und entfaltet trotz kleiner Dimension eine grosse Wirkung. Dahinter steckt mehr als reine Bürokratie: Schweizer Technologie ebnet den Weg zu echter Kreislaufwirtschaft. 

Bild: BloqSens AG

Batterien sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken: Spielsachen, Fitnessuhren, intelligente Gerätesteuerungen, Elektrofahrzeuge, Hausspeicher – kleine Knopfzellen und grosse Lithium-Ionen-Batterien sorgen jederzeit und überall für Energie. Sie sind integraler Bestandteil von digitalen Gesundheitslösungen und der Energiewende. Batterien bringen Herausforderungen mit sich. Vieles im Zusammenhang mit Batterien ist intransparent – so beispielsweise die Rohstoffquellen, die verarbeiteten Materialien, die Restkapazität, die Alterung der Batterien und die Anzahl der Ladezyklen. Mit der zunehmenden Menge an Batterien, die im Einsatz sind, rücken die Fragen nach einer Zweitnutzung und nach dem Recycling in den Fokus. Auch die Frage nach der Transparenz gewinnt an Bedeutung. 

Neue EU-Regelung erfordert Lösung

Die EU will eine Vorbildfunktion übernehmen und für Transparenz bei den Batterien sorgen. Sie führt deshalb im Rahmen der Batterieverordnung ab 2027 einen digitalen Pass für Batterien ab 2 Kilowattstunden ein, den Digital Battery Passport DBP. Davon betroffen sind Batterien für die Elektromobilität, für Lastenvelos und andere spezialisierte E-Bikes und für Hausspeicher, nicht aber Batterien für die gängigen E-Bikes, Uhren und Fernbedienungen.  

Einblicke ins Batterieleben

Noch ist nicht abschliessend definiert, welche Daten im Batteriepass abgebildet werden sollen – gemäss aktuellem Stand dürften es rund 100 Datenpunkte sein. Fest steht, dass der DBP Angaben zur Herstellung enthalten wird – etwa zu den Rohstoffen und deren Quellen, zu den eingesetzten Materialien, zu den Lieferketten und zu den CO2-Emissionen. Der DBP soll auch dynamische Daten wie die Anzahl Ladezyklen, die Restkapazität, Reparaturarbeiten und Wartungszyklen umfassen, die sich im Leben einer Batterie verändern. Solche Angaben sind für den Wiederverkauf und die Zweitnutzung, aber auch für die Sicherheit relevant.  

Der Batteriepass muss demnach auf der Ebene jeder einzelnen Batterie und nicht einmalig für einen Produkttypen ausgestellt werden. Das Bieler Start-up BloqSens stellt sich dieser Herausforderung und entwickelt eigene Softwarelösungen für die digitalen Reisepässe. Peter Krummenacher, CEO von BloqSens, fasst zusammen: «Der DBP ist ein elektronischer Datensatz, der umfangreiche Informationen zu einer Batterie, deren Herstellung und Lebensgeschichte an einem Ort zusammenführt und verschiedenen Interessierten verfügbar macht.» 

Blockchain für Datensicherheit und Regelung der Zugriffsrechte

Dabei gilt es zwei grosse Herausforderungen zu meistern. Einerseits darf nicht jede:r Akteur:in in der Wertschöpfungskette uneingeschränkten Zugriff auf die Daten haben. Dezentrale Speicherung der Daten in der Blockchain löst diese Herausforderung. Denn Blockchain garantiert Manipulationssicherheit und ermöglicht Transparenz sowie Rückverfolgbarkeit. Ein weiterer Vorteil von Blockchain ist die Automatisierung mittels Smart Contracts, welche bestimmte Prozesse beim Erfüllen von vorgegebenen Bedingungen automatisch ausführen. BloqSens setzt mit dem Internet Computer Protocol (ICP) eine spezielle Form von Blockchain ein, die im Vergleich zu Bitcoin und Ethereum optimierte Konsensmechanismen nutzt und mit deutlich weniger Energie auskommt. 

Und andererseits speichert der DBP nicht nur statische Daten zur Batterie, sondern erfasst auch dynamische Werte wie Lade- und Wartungszyklen. Es braucht demnach nicht nur Schnittstellen, über welche die Daten vom Hersteller in den DBP gelangen. Eine weitere Schnittstelle ist notwendig, um Daten direkt aus dem Batteriemanagementsystem auszulesen und im Pass anzuzeigen. Die Daten werden gewissermassen von der Batterie selbst geliefert. 

Stärkung der Kreislaufwirtschaft

Der DBP ermöglicht Transparenz entlang der Wertschöpfungskette: Herstellerfirmen müssen offenlegen, welche Materialien verbaut wurden, unter welchen Bedingungen die Batterie gefertigt wurde und welche Umweltauswirkungen damit einhergehen. Greenwashing wird erschwert, da überprüfbare Daten und nicht vage Versprechen die Basis bilden. Auch Recyclingunternehmen profitieren, da der DBP wichtige Informationen zu Wiederverwendung und Entsorgung umfasst. 

Gleichzeitig stärkt der Batteriepass das Vertrauen in die Produkte, weil er Angaben zur Qualität der Batterie und demnach zum Wiederverkaufswert macht. Davon profitieren auch Elektrofahrzeuge im Occasionshandel. 

Noch liegen etliche Steine auf dem Weg zur breiten Implementation. Für die Herstellerfirmen dürfte es eine grosse Herausforderung sein, entlang der gesamten Wertschöpfungskette die entsprechenden Daten zum Beispiel zu den CO2-Emissionen zu erheben, den Datenschutz zu beachten und die Zugriffsrechte zu regeln. «Batteriepässe auszustellen», so Peter Krummenacher, «kann nicht nur der IT-Abteilung überlassen werden. Es braucht Spezialist:innen.»  

Weitere Entwicklung

Ab 2027 sollen digitale Reisepässe für weitere Produktgruppen wie Textilien, Spielwaren und Möbel folgen, aus dem DBP wird ein DPP – ein Digital Product Passport. Allerdings sind die Regularien in der EU und die Überführung ins Schweizer Recht noch nicht für alle Produktgruppen ausgereift. Der DPP kann aber mehr sein als eine rein technische Notwendigkeit. Er ist für Unternehmen eine Chance, sich im globalen Markt als nachhaltig zu positionieren und so das Vertrauen in die Marke zu stärken. 

Europa übernimmt eine Pionierrolle und stärkt mit dem DPP die Kreislaufwirtschaft erheblich: Produkte können dank der umfassenden Informationen gezielter wiederverwendet, repariert oder rezykliert werden. Das spart Ressourcen und reduziert die Abfallmenge. Ein optisch kleines Label mit grosser Auswirkung.